Mittwoch, 18. März 2020

Interview mit der Lektorin Claudia Perc


Claudia Perc und ich stoßen an! Alkoholfrei auf 
der LitBlogCon2019 in Köln

Liebe Claudia,

zu meiner Überraschung habe ich festgestellt, dass tatsächlich schon einige Jahre vergangen sind, seit ich Dich als Lektorin interviewen durfte. Es hat sich seitdem in der Buchwelt getan, allerdings sind wir beide immer noch als Buchbloggerinnen aktiv und mit einer Dritten im Bunde gibt es uns seit einem Jahr als „Das Bloggerteam – Die Drei vom Niederrhein“. 

Im Jahr 2015 hattest Du beschlossen, dass Du die Bücher nicht nur einfach vorab liest und den Autoren dazu Rückmeldungen gibst. Du hast Deine Dienste als Lektorin angeboten. Was ich sehr gut finde, denn ich habe oft genug feststellen müssen, dass einem Buch der besondere Schliff fehlte. Da hat es auch nicht geholfen, dass eine Freundin und Verwandte es vorab gelesen hat. Neutrale Personen sind da meist besser geeignet.


Hallo liebe Ulla,

ich freue mich, dass ich Dir mal wieder für ein Interview zur Verfügung stehen darf. Tatsache, unser letztes Interview ist eine halbe Ewigkeit her, und in der Zeit hat sich unser beider Kontakt ja stark intensiviert.


Welche Erfahrungen konntest Du in den letzten Jahren machen?

Durch das Lektorat habe ich mein Leseverhalten tatsächlich geändert. Ich lese jetzt Genre, die ich vorher eher nicht gelesen hätte. Und es sind tolle neue Freundschaften entstanden, die weit über die Bücherliebe hinausgehen. Leider sind aber auch Kontakte eingeschlafen oder abgebrochen. Autoren, für die ich am Anfang meiner Selbstständigkeit noch vorab gelesen habe, sprechen mich nun nicht mehr deshalb an und nutzen meine „Dienste“ als Bloggerin leider auch nicht mehr. Dafür haben sich an anderer Stelle aber neue Türen geöffnet.


Wenn jemand Dein Lektorat wünscht, legst Du dann einfach los oder wie läuft es ab?

Wenn die Anfrage von einem Autor kommt, mit dem ich beruflich noch nichts zu tun hatte, erstelle ich zunächst ein Probelektorat. Ich bitte um fünf bis sieben aussagekräftige Seiten (am besten immer aus der Mitte des Manuskripts). Diese Seiten bearbeite ich dann, um den Schreibstil kennenzulernen. Gleichzeitig hat der Autor so natürlich auch die Möglichkeit, meine Arbeitsweise kennenzulernen. Nach diesem Probelektorat entscheide ich dann, ob ich den Auftrag annehmen möchte und biete dem Autor dann einen individuellen Bearbeitungspreis an.


Wie eng wird durch das Lektorat der Kontakt zu dem Autor?

Das ist völlig unterschiedlich. Zum Teil pflege ich sehr freundschaftliche Kontakte, die auch abseits der Arbeit Bestand haben, zum anderen habe ich aber auch schon Bücher bearbeitet, bei denen der Kontakt zum Autor sehr formell und sachlich geblieben ist (und auch nach Bearbeitung nicht weiter gepflegt wird)


Gibst Du auch noch andere Tipps und Hilfestellungen?

Mittlerweile empfehle ich, Lektorat und Korrektorat nicht mehr in einer Hand machen zu lassen. Die Qualität des Buches wird durch diese Trennung nochmal verbessert, da man nach mehreren Bearbeitungsdurchgängen betriebsblind wird und Fehler tatsächlich nicht mehr sieht. Ich arbeite sehr eng mit einer befreundeten Korrektorin zusammen, gemeinsam haben wir schon etliche Bücher bearbeitet. Da Du sie auch kennst, erwähne ich sie hier gern, es ist unsere liebe Gundy (Gudrun Media)


Wie viele Bücher hast Du in den Jahren inzwischen lektoriert?

Gute Frage – ich habe sie nicht gezählt… zum Teil waren Manuskripte von Erstlingsautoren dabei, die bisher noch nicht veröffentlicht haben, weil sie ihr Buch eher als Hobby für sich sehen.


Ich hatte Dich damals gefragt, wie lange Du an einem Buch arbeitest, kannst Du inzwischen sagen, dass Du mehr Routine hast und es schneller geht?

Nein, eine Routine kann da nicht kommen, da jedes Buch anders ist. Zwar habe ich für einige Autoren schon mehrere Bücher bearbeitet, aber meist stelle ich fest, dass die Autoren ihre Schreibweise verändern. Hatten sie in einem Buch ein bestimmtes „Lieblingswort“, das sie oft verwenden, und das ich dann regelmäßig aus dem Text streiche, schleicht sich im nächsten Buch eine neue Phrase ein. Ein kleines Beispiel: im einen Buch nutzte der Autor gern die Phrase „er ließ sich in den Sessel (auf den Stuhl etc.) sinken (als Ausdruck für „er setzt sich hin), so lässt er diese Phrase im nächsten Buch weg, nutzt stattdessen aber ständig „Jedoch aber“ als Phrase, die viel erscheint.
Ich habe unsere anderen Interviews nochmal durchgelesen. Da habe ich Dir geantwortet, dass ich zwei bis fünf Bücher im Monat schaffe. Das hat sich tatsächlich verändert, da ich in der Regel keine kleinen Kurzromane mehr lektoriere, sondern der Fokus auf weitaus umfangreicheren Manuskripten liegt. Da sich zusätzlich noch andere berufliche Veränderungen bei mir ergeben haben, ist die Bearbeitungsmenge auf ca. ein Buch pro Monat (z.T. sogar sechs Wochen) „geschrumpft“. Allerdings sind diese Manuskripte nicht nur seitenmäßig sehr viel umfangreicher, als die vor ein paar Jahren bearbeiteten, sondern auch vom Inhalt her wesentlich komplexer.


Von anderen Autoren höre ich oft, dass der Lektor sich zu sehr in das Geschehen einmischt und es endlose Diskussionen gibt. Wie siehst Du Deine Arbeit?

Ich mische mich grundsätzlich nicht ein. Ich „schubse“ die Sätze, damit sie schöner klingen, ich suche nach Logikfehlern und nach Grammatikfehlern. Die Geschichte an sich ist Sache des Autors.


Hat es schon mal Aufträge gegeben, die Du abbrechen oder ablehnen musstest?

Ja, die gab es tatsächlich auch schon. Manchmal ist auch ein Probelektorat nicht ausreichend. Diese Fälle sind aber sehr selten.


Ich denke mal, die „Chemie“ muss auch stimmen, hat es schon mal uneinsichtige Autoren gegeben?

Auch das gab es schon, meist in den Fällen, wenn ich ein Lektorat abgelehnt habe.


Hast Du immer noch genügend Zeit, um privat zu lesen?

Die Zeit, um privat zu lesen, ist zwar rar, aber ich nehme sie mir immer noch. Wie Du oben schon schriebst: ich blogge ja immer noch, und das geht nur mit in der Freizeit gelesenen Büchern. Bücher, die ich textlich bearbeitet habe, rezensiere ich nicht und stelle sie nicht auf meinem Blog vor.


Hattest Du schon mal den Gedanken, so ein Buch hätte ich auch schreiben können?

Tatsächlich noch nie! Ich kann zwar gut „Sätze schubsen“, aber ich habe keinerlei Ambitionen, selber auch zu schreiben. Ich bewundere jeden Autor für seine Ideen.



Ich danke Dir vielmals, dass Du ein weiteres Mal Zeit hattest, um meine Fragen zu beantworten.

Liebe Ulla, ich danke Dir für dieses Interview. Über Deine Anfrage habe ich mich riesig gefreut, denn unser Kontakt hat sich ja in den letzten Jahren doch sehr intensiviert, worüber ich mich im Übrigen sehr freue. Ich liebe die „Arbeit“ in unserem Bloggerteam.



Wir, das Bloggerteam - die Drei vom Niederrhein, bereiten 
uns auf die Buchmesse in Leipzig vor. 

Zu dem Zeitpunkt ahnten wir noch nicht, dass wir diesmal
nicht fahren konnten. 


vlnr Claudia Perc, Andrea Salzberger, Ulla Leuwer




Und wer die beiden vorherigen Interviews lesen möchte, kann dies gerne machen

Interview 2015 und Interview 2016