Sonntag, 31. Juli 2016

Rezension - Umweg nach Hause


Autor: Jonathan Evison

Titel: Umweg nach Hause

Genre: Roman

Version: eBook, gebunden, Taschenbuch und Hörbuch

erschienen: als Taschenbuch 18. Juli 2016

Seiten: 372

Altersempfehlung: Erwachsene

Verlag: blanvalet




Der Autor Jonathan Evison, 1968 in San Jose, Kalifornien, geboren, wurde mit seinem Roman „Alles über Lulu” bekannt, für den er den Washington State Book Award erhielt.


Kurzbeschreibung, übernommen:
Ben geht’s nicht gut – weder persönlich noch finanziell. Nach einem Crashkurs in »häuslicher Pflege« heuert er bei Trevor an, einem zynischen Jugendlichen, der unheilbar krank ist und im Rollstuhl sitzt. Trevs Vater Bob suchte gleich nach der Diagnose das Weite, was ihm in der Familie natürlich keiner verzeiht. Doch Ben fühlt mit dem verstoßenen und reuigen Vater und überzeugt Trev, im VW-Bus quer durch die USA zu fahren, um ihn zu besuchen. Ein schräger Roadtrip voller überraschender Begegnungen und skurriler Abenteuer beginnt ...


Meine Meinung:
Zunächst hat mich das Cover sehr angesprochen und nachdem ich die Kurzbeschreibung gelesen hatte, war ich neugierig auf dieses Buch. Zumal mir eine ergreifende Geschichte versprochen wurde und ab und zu lese ich solche sehr gerne. Es gibt da einige Bücher und Filme, die mit ergreifenden Themen sehr bekannt geworden sind. Ich habe beim Lesen und Schauen meist auch Taschentücher benutzen müssen. Bei diesem Buch war es allerdings nicht der Fall. Es hat ewig gedauert, bis endlich dieser schräger Raodtrip angetreten wurde. Bis dahin lernte ich Ben und Trevor kennen und habe immer wieder durch Rückblenden von Bens Leben "davor" erfahren. Es war alles nicht sehr erfreulich, aber leider nicht so geschrieben, dass es mich mitgenommen hat.
Bin ich jetzt von anderen Büchern verwöhnt und stelle zu hohe Ansprüche? Gerne hätte ich mehr über Trev und diese Krankheit erfahren. So konnte ich mich nur wundern, dass er in der Lage war, eine solche Reise anzutreten. Natürlich waren die Begegnungen während der Fahrt sehr interessant und es entstanden interessante Situationen. Ich hätte mich vielleicht mehr gefreut, wenn nicht alles aus der Sicht von Ben sondern auch von Trevor beschrieben worden wäre.

Fazit:
Ich hatte hohe Ansprüche an das Buch, vielleicht war das nicht in Ordnung. Anderen Lesern mag es vielleicht so gefallen. Interessant war es schon und die Erkenntnisse, die gesammelt wurden,  waren für die betroffenen Personen schon sehr wichtig. Aber ich hätte mir noch mehr Tiefe gewünscht.

Bei dem Verlag blanvalet möchte ich mich vielmals für das Rezensionsexemplar bedanken.

Rezension - Blutwurst und Zimtschnecken


Autorin: Ane Riel

Titel: Blutwurst und Zimtschnecken

Genre: Krimi

Version: eBook und Taschenbuch

erschienen: 13. Juni 2016

Seiten: 352

Altersempfehlung: Erwachsene

Verlag: btb




Die Autorin Ane Riel hat in Aarhus, Dänemark, Kunstgeschichte studiert, gibt aber zu, einen Großteil der Vorlesungszeit lieber in kleinen Jazzclubs verbracht zu haben. Sie hat bereits eine Reihe von Kinderbüchern und Bücher über Kunstgeschichte veröffentlicht. "Blutwurst und Zimtschnecken" ist ihr erster Roman und wurde prompt als Bester dänischer Krimiroman des Jahres ausgezeichnet.


Kurzbeschreibung, übernommen:
Judith Behring ist eine alte Dame, eine ungemein reizende alte Dame. Im ganzen Rotkehlchenweg ist sie bekannt für ihre Gastfreundschaft und ihre Backkünste – die Nachbarn können sich glücklich schätzen, wenn sie in den Genuss von Judiths berühmten Zimtschnecken kommen. Nur einer ist nicht so nett zu Judith, wie sie das gewohnt ist: der Postbote. Wie unachtsam der immer ausgerechnet ihre Post in den Briefkasten stopft… Und Zeit für einen netten Plausch hat er auch nie… Deshalb steht für Judith fest: Der Postbote muss sterben! Gut, dass sie nicht nur früher eine preisgekrönte Metzgerin war, sondern auch Erfahrung im Loswerden ungeliebter Mitmenschen hat.


Meine Meinung:
Normalerweise schreibe ich gerne und ausführliche Rezensionen zu einem Buch, aber diesmal streike ich ein bisschen. Mir persönlich hat es leider nicht gefallen. Aber ich möchte mich nicht einreihen bei den Kritikern, die Bücher zerreißen.
Ich habe mir nur die Frage gestellt, ob ich es mir anmaßen und zweifeln darf, weshalb dieses Buch als bester dänischer Krimi betitelt wird? Ich habe schon jede Menge Krimis gelesen und es kam auch vor, dass ich auf der Seite "der Bösen" war und die Taten nachvollziehen konnte, ja sogar gehofft habe, dass derjenige nicht erwischt wird. Aber mit dieser Protagonistin konnte ich mich überhaupt nicht anfreunden. Leider hat mir der Schreibstil der Autorin ebenfalls nicht gefallen. Es war mir alles zu weit ausgeholt und zu langatmig. Aber ich bin ja nur eine Leserin, die wahrscheinlich dies nicht alles verstanden hat.

Fazit:
Schade, mich konnte das Buch leider nicht überzeugen.

Bei dem Verlag btb möchte ich mich für das Rezensionsexemplar bedanken.

Indie-Autoren-Challenge Violet Truelove


Im März 2015 hatten einige Autoren die Idee sich einer besonderen Herausforderung zu stellen. Ihnen sollten 15 Begriffe genannt werden und sie wollten eine Geschichte daraus machen, die mindestens drei Seiten lang sein sollte. Nach und nach möchte ich die Autoren und deren Geschichten vorstellen:

Viola Plötz, Jahrgang 1979, studierte Kommunikationsdesign und machte sich nach ihrem Abschluss als Hochzeitsfotografin und Designerin selbstständig. Im Jahr 2014 ereilte sie eine Midlife-Crisis und sie beschloss, endlich ihren langersehnten Lebenstraum vom eigenen Roman zu verwirklichen. Im Dezember 2014 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Violet Truelove über neobooks ihren Roman »Ein Surfer zum Verlieben«, der es auf die Shortlist für den Indie Autor Preis schaffte. Kurze Zeit später wurde sie durch ihren erfolgreichen Debütroman entdeckt und unterzeichnete einen Autoren-Vertrag für ihre New Adult Reihe »Waves of Love«, die sie als Ava Innings schreibt, bei feelings (Droemer Knaur). Die Autorin lebt zusammen mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in einem Mehrgenerationenhaus im Taunus, also viel zu weit vom Meer, welches ich so liebt und das ihre Geschichten prägt, entfernt. Doch nicht nur für das Wellenreiten kann sie sich begeistern, sondern auch für Yoga, die Fotografie und das Lesen.



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Die Wörter von Dietmar Hesse passten Violet Truelove & Lindsay Lovejoy sehr gut in den Kram, schrieb sie doch gerade an Teil 2 von “Ein Cop zum Verlieben” mit dem Titel “Ein Geist zum Verlieben”.

Anbei also eine Geschichte aus dem Zum-Verlieben-Universum mit altbekannten Charakteren.

1. Universum
2. Lichtung
3. Sternenhimmel
4. Tulpen
5. Lächeln
6. Ratte
7. Liebesbrief
8. Reporterin
9. Klippe
10. Blutdruck
11. Telefonzelle
12. Wahrsagerin
13. Rühreier
14. Leichtsinn
15. Paket

Jared stand auf der Klippe und schaute auf das Meer hinab, das unter ihm toste. Nur noch acht Tage bis zu seinem Tod. Hatte er sich die ganze Zeit über gefragt, wie es Daisy nach seinem Tod ergehen würde, so machte sich seit ein paar Tagen die Angst bei dem Gedanken an sein Ableben breit. Wie würde es passieren? Hätte er große Schmerzen? Oder würde es rasch geschehen und er würde davon nicht einmal etwas mitbekommen? Diese Fragen stellte er sich seit Kurzem häufiger und er war drauf und dran Jenny, oder eine der anderen Wahrsagerinnen der Familie, um Hilfe zu bitten. Andererseits war es vielleicht besser, wenn er nicht genau wusste, was auf ihn zukam. Schließlich war es schlimm genug, seinen genauen Todestag zu kennen. Er seufzte leise, legte den Kopf in den Nacken und sah hinauf in den Sternenhimmel. Bei dem Anblick des Himmelszeltes über ihm, kam er sich klein und unbedeutend vor. Sein persönliches Drama war dem Universum scheinbar vollkommen egal. Da oben juckte es niemanden, dass er noch vor der Geburt seiner Tochter das Zeitliche segnen würde.

Der Gedanke an das Baby zauberte ihm unwillkürlich ein Lächeln auf das Gesicht. Es war kein Leichtsinn gewesen, der zu Daisys Schwangerschaft geführt hatte. Nein, sie hatten immer gut verhütet und dennoch war seine Frau ungeplant schwanger geworden. Es war Schicksal und auch wenn erst die Zeugung seiner Tochter den Fluch ausgelöst hatte, so konnte er es nicht bereuen. Er wünschte bloß, er hätte mehr Zeit. Daisy allein zurückzulassen war ein grausamer Gedanke. Sie war stark und er hatte volles Vertrauen in sie. Sie würde einen Weg finden, ohne ihn weiterzuleben und dennoch wünschte er sich von ganzem Herzen, dass das nicht notwendig wäre. Wie gerne würde er sein Kind aufwachsen sehen und noch ein halbes Dutzend weitere mit Daisy zeugen.

Doch die Dinge waren, wie sie waren, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in sein Schicksal zu fügen. Er hatte Daisy heute einen langen Liebesbrief geschrieben, den er zusammen mit weiteren Anweisungen und allerlei Kleinigkeiten in einem kleinen Paket an eine befreundete Reporterin gesendet hatte. Sie würde ihm helfen und Dinge in die Wege leiten, die er nicht mehr würde tun können. Doch Daisy hatte eine große Familie. Eine verrückte aber liebenswerte Familie, durch die er viele Erfahrungen und viel Wissen hatte sammeln können. Zu ihnen zu gehören, war wie in eine fremde Welt einzutauchen und dennoch hatte er sich sofort heimisch gefühlt. Er hatte gelernt, dass die Ratte ein chinesisches Tierkreiszeichen war und nicht nur ein Nagetier und Schädling. Und auch, dass die Telefonzelle, die Daisy auf dem Oberschenkel trug, keine banale Telefonzelle, sondern die TARDIS aus Doctor Who war. Von seiner wunderbaren Frau hatte er auch das perfekte Rezept für Rühreier bekommen, das er mit in sein Grab nehmen würde, und durch sie hatte er seinen Bruder gefunden. Seine chaotische, kleine Hexe hatte sein Leben auf den Kopf gestellt und ihm die schönsten Stunden seines Lebens beschert. Er liebte sie so sehr, dass sich sein Herzschlag beschleunigte, sobald er nur an sie dachte. Diese Frau trug so viel Feuer und Leidenschaft in sich, dass sie es auch schaffen würde, den Blutdruck eines Toten ins Unermessliche zu treiben. Jared lachte freudlos über seinen Vergleich.

Er kehrte dem Meer den Rücken und lief den Pfad hinauf zu der Blockhütte, wo seine Frau im Bett lag und selig schlief. Sie seufzte leise, als er sich hinter sie legte und sie in die Arme schloss. In der Nacht träumte er von einer Lichtung voller Tulpen. Symbole für eine bessere Zeit und die Vergänglichkeit, wie ihm Bella am nächsten Mittag mitteilte.

 „Da war auch ein Reh. Es wurde vor meinen Augen getötet. Ich habe versucht, es zu beschützen, doch es wollte mir nicht gelingen.“ Bella warf Daisy, die neben Jared saß und seine Hand hielt, einen flüchtigen Blick zu, ehe sie antwortete: „Das Reh ist ein sehr ambivalentes Traumsymbol. Es hat diverse Bedeutungen, doch wird es getötet, so steht es für Verlust und Trauer. Seine spirituelle Bedeutung als Krafttier ist jedoch Dankbarkeit und daraus resultierender innerer Frieden.“

„Ich bin dankbar“, erwiderte Jared. Er war für jeden kostbaren Moment, den er mit diesen Menschen verbringen durfte, dankbar und auch, wenn ihm nur noch sieben Tage blieben, so waren es doch sieben Tage voller Liebe, Freundschaft und Zuneigung.

Samstag, 30. Juli 2016

Indie-Autoren-Challenge Birgit Loistl

Im März 2015 hatten einige Autoren die Idee sich einer besonderen Herausforderung zu stellen. Ihnen sollten 15 Begriffe genannt werden und sie wollten eine Geschichte daraus machen, die mindestens drei Seiten lang sein sollte. Nach und nach möchte ich die Autoren und deren Geschichten vorstellen:





Birgit Loistl, ein Kind der späten Siebziger Jahre,
lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern an
einem See in der Nähe von München.

Ihr Debutroman "Forever Lizzy" ist im Februar 2015
erschienen und der erste Band der "Silky Oaks Lovestories".

Sie mag die Farbe lila, Gewitter und Nougatschokolade.
Fünf Dinge, die fast niemand über mich weiß: -








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Ich, Birgit Loistl bin von der sehr lieben D.L. Andrews nominiert worden. Ziel war es mit 15 vorgegebenen Wörtern eine Kurzgeschichte mit maximal 3 Seiten zu schreiben. Mit folgenden Wörtern musste ich arbeiten:


1. Baby
2. Verlust
3. Selbstzweifel
4. Alkohol
5. Drogen
6. Chirurg
7. Liebesbrief
8. Mülleimer
9. Unfall
10. Eltern
11. Roboter
12. Schneesturm
13. Vertrauensbruch
14. Verrat
15. Einsamkeit




Hier meine Geschichte:
„Eine wunderschöne Nacht wünsche ich Euch, wo immer ihr auch seid. Hier spricht Annabelle von Radio Neo München und ihr hört Dreamnight, die beste Nachtshow der Stadt. Nun spiele ich euch die bezaubernde Sandy McDonald mit ihrem neusten Hit Sweet Kisses und anschließend erwarte ich meinen nächsten Anrufer. Ruft mich an!“
Ich drücke den roten Knopf an meinem Mikrofon und nehme den Kopfhörer ab. Marc, mein Aufnahmeleiter, steht einige Meter von mir entfernt hinter einer Glaswand und wedelt mit einem Blatt Papier in seiner Hand. Genervt schüttle ich den Kopf und stöhne laut auf. Nicht schon wieder! Marc scheint meinen Gesichtsausdruck richtig zu deuten. Er öffnet die Studiotür und steckt seinen Kopf herein. „Es wurde schon wieder ein Liebesbrief für dich beim Pförtner abgegeben. Hast du Paul nicht gesagt, dass er einen Gang herunterschalten soll?“
„Doch“, seufze ich und strecke die Hand aus, als Marc näher kommt und mir den Brief reicht. Ich weiß, was darin steht. Dass er sich in mich verliebt hat und mir die Sterne vom Himmel holen möchte. Dass er noch nie für eine Frau so empfunden hat. Dass er es kaum erwarten kann, mich wiederzusehen. Ohne groß darüber nachzudenken, reiße ich den Brief ungelesen in kleine Stücke und werfe ihn in den Mülleimer. „Was ist?“, fahre ich Marc an, der mit hochgezogenen Augenbrauen die Arme vor seiner Brust verschränkt und mich still mustert. „Warum sagst du ihm nicht einfach, dass er sich verpissen soll.“ Ich lege den Kopf in den Nacken und fahre mir über das Gesicht. Noch zwei Songs, dann bin ich wieder auf Sendung.
„Das kann ich nicht. Es ist ja nicht so, dass ich nichts für ihn empfinde. Es ist nur alles zu viel, verstehst du? Er ist aufmerksam und liebevoll. Er hört mir zu und braucht mich, das spüre ich.“ Ich greife zu meiner Flasche Cola light und nehme einen Schluck davon. „Und meine Eltern lieben ihn. Das ist der Wahnsinn schlechthin. Bisher dachten sie von jedem Kerl, den ich mitgebracht habe, er sei gerade frisch aus dem Gefängnis gekommen. Aber er ist Postbote, Marc. Einfach nur Postbote.“
„Na und? Willst du mir sagen, dass du wirklich so oberflächlich bist, Belle? So kenne ich dich gar nicht.“ „Ich bin nicht oberflächlich. Aber ich denke auch an meine Zukunft. Ich bin achtundzwanzig. Ich habe Wünsche, verstehst du? Ein kleines Häuschen, Kinder. Ich verdiene hier nicht die Welt, Marc und ein Postbote…naja, er verdient nicht viel mehr als ich.“
„Wie lange seid ihr jetzt schon zusammen?“
„Acht Monate.“
„Acht Monate? Weißt du wie viele Typen ich kenne, die nach acht Monaten immer noch solche Liebesbriefe an ihre Freundin schreiben? Keinen einzigen. Die meisten machen sich die Arbeit so lange, bis sie sie flachgelegt haben und dann ist es vorbei mit dem Süßholz raspeln. Also entweder hattet ihr bis heute noch keinen Sex – und falls ja, kannst du den Kerl in die Tonne treten. Oder aber, und das halte ich für wahrscheinlicher, der Typ liebt dich. Und dann ist es doch egal, ob er Chirurg oder Postbote ist, oder nicht?“
„Du bist ein Kerl, du verstehst das nicht. Tu mir einfach einen Gefallen. Er hat gemeint, er holt mich später ab, also wenn er auftaucht, dann…“ Marc schüttelt den Kopf und wendet sich von mir ab. „Ich weiß… ich soll ihm sagen, du hast früher Schluss gemacht und bist schon nach Hause gegangen. Echt, Annabelle, diese Tour ist so was von mies.“
Ich schlucke und schließe die Augen, als Marc die Studiotür schließt. Ich weiß, dass ich mich gemein verhalte. Aber ich kann nicht anders. Ich nippe an meiner Flasche Cola und lasse mich nach hinten in den Stuhl fallen. Mein Blick fällt auf die leuchtend roten Zahlen, die über der Studiotür hängen. Es ist Sonntag, drei Stunden nach Mitternacht. Draußen tobt ein Schneesturm und mir graut bei dem Gedanken, nach Hause zu gehen. Plötzlich blinkt die Telefonanlage rot auf. Ein neuer Anrufer ist in der Leitung. Ich setze meine Kopfhörer auf und drücke auf das rote Lämpchen. „Hier spricht Annabelle und ich freue mich auf meinen neuen Anrufer. Hallo, ist jemand dran?“
Eine Totenstille liegt in der Luft, ich höre ein schweres Atmen. Sonst nichts. Ich liebe meinen Job. Wirklich. Aber manchmal ist es echt ein bisschen gruselig.
„Hallo?“
„Hallo.“ Es ist die Stimme einer Frau.
„Eine wunderschöne Nacht wünsche ich dir. Verratest du mir deinen Namen?“
„Marie“, wispert sie und ihre Stimme zittert.
„Möchtest du mir etwas erzählen, Marie?“
Sie ist eine Weile still. Ich höre nur ihren schnellen Atem. „Ist das…“ stockt sie, bevor er weiterspricht“... ist das wirklich live?
Ich lächle, denn diese Frage wird jedes Mal gestellt. „Ja. Die Sendung wird live gesendet. Glaubst du ich würde mich um diese Uhrzeit ins Studio setzen, wenn ich stattdessen in meinem warmen, weichen Bett liegen könnte?“ „Nein“, antwortet sie schnell. „Natürlich nicht.“
„Möchtest du mir etwas anvertrauen?“ So funktioniert unsere Show. Die Menschen rufen mich an und erzählen mir ihre Probleme, ihre Ängste, ihre Albträume. Sie versuchen auf diesen Wege mit jemanden zu reden, weil sie sonst niemanden haben, der ihnen zuhört und sie versteht. Und die Einschaltquoten sprechen für sich. Dreamnight ist die erfolgreichste Nachtshow Deutschlands. Sie wird bundesweit gesendet, die Menschen rufen mich von überall an. „Ja.“ Es entsteht eine Stille, dann spricht sie weiter. „Mein Freund…er hatte einen Unfall.“
„Das tut mir leid, Marie. Wurde er verletzt?“
„Ja“, flüstert sie. Es fällt ihr sichtlich schwer zu reden. „Er…er ist gestorben.“ Sie atmet tief ein und ich bin im ersten Moment erschüttert. Ich hasse diese Situationen, weil es zu meinem Job gehört, die richtigen Worte zu sagen. Aber leider weiß ich nicht immer, was die richtigen Worte sind.
„Heute ist sein Todestag. Vor fünf Jahren starb er bei einem Autounfall.“ Mein Gott, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich verspüre Mitleid mit ihr, denn in ihrer Stimme klingt so viel Zuneigung und Liebe …und Einsamkeit.
„Wir hatten an diesem Abend einen Streit. Wissen sie, wir kannten uns seit der Grundschule. Er war mein bester Freund. Und in all den Jahren haben wir oft gestritten, aber wir haben uns immer versöhnt, bevor wir auseinander gegangen sind. Ich weiß, es klingt wie ein Klischee, aber ich hatte immer Angst, dass einem von uns etwas passieren könnte. Aber an diesem Abend war ich so wütend.“ „Weswegen waren sie wütend?“
„Er hat seinen Job verloren, weil die Polizei bei ihm im Wagen eine Flasche Jack und 20 Gramm Marihuana gefunden hat. Chris war Taxifahrer. Verstehen sie? Er hat seine Existenz aufs Spiel gesetzt und weil er sich abends mit ein paar Kumpels die Kante geben wollte.
„ Mir ist klar, dass sie allen Grund hatte, wütend zu sein. Alkohol und Drogen bei einem Taxifahrer ist unverantwortlich.
„War er denn betrunken?“
„Nein, ich glaube nicht“, ihre Stimme klingt wie ein Roboter. „Für mich war es einfach ein Vertrauensbruch. Er wusste, dass ich nichts für Drogen übrig habe. Deshalb hat er heimlich geraucht. Das war für mich wie ein Verrat. „
„Ich kann sie verstehen, Marie. Ich denke, viele in ihrer Situation hätten so reagiert.“
Ich war so unglaublich wütend auf ihn und dann habe ich Dinge gesagt, die unverzeihlich waren.“ Sie lacht, aber es ist kein glückliches Lachen. "Ich habe ihn mit dem Mann meiner Schwester verglichen. Er ist Zahnarzt, wissen sie. Sie haben ein kleines Häuschen, zwei Kinder und einen Hund. Die perfekte Familie – naja, rein äußerlich, wenn man davon absieht, dass er meine Schwester regelmäßig betrügt. Paul ist sauer geworden und hat mich angeschrien, wenn ich so wenig von ihm halte, dann könne er ja gehen!“ Sie schluchzt und mir wird es schwer ums Herz. „…und dann habe ich ihm gesagt, dass das eine gute Idee wäre. Verstehen sie das? Ich habe dem Mann, den ich über alles geliebt habe, gesagt, er soll verschwinden.“
„Und dann ist es zu dem Unfall gekommen?“ Ein Kloß sitzt in meinem Hals und versuche, das trockene Gefühl in meiner Kehle loszuwerden.
„Ja. Er ist von der Straße abgekommen und gegen einen Baum geprallt. Die Ärzte meinten, er wäre sofort tot gewesen.“ Mir bricht es das Herz als ich ihre Worte höre. „Ich vermisse ihn so. Diese kleinen Dinge, wissen sie was ich meine? Er hat im Schlaf immer etwas gesabbert und seine Jacke immer neben die Garderobe gelegt. Wissen sie, wie wahnsinnig mich das früher gemacht hat? Und er hat das R immer besonders gerollt, so dass ich sogar einen Termin bei einer Logopädin für ihn vereinbart habe. Gott, was würde ich dafür tun, wenn ich ihn nochmal hören könnte.“ Tränen laufen mir über das Gesicht, aber ich wische sie nicht weg.
„Ich habe es ihm nie gesagt, verstehen sie? Er hat nicht gewusst, wie sehr ich ihn liebe. Er hat immer gesagt, wie sehr er mich liebt und das er mich heiraten und mindestens ein Baby mit mir haben möchte und ich habe ihn immer ausgelacht. Ich habe es verdammt nochmal nicht über mich gebracht, ihm zu sagen, wie sehr ich ihn liebe.“
„Seien sie nicht so streng mit sich, Marie. Er hat es sicher gewusst.“
„Ist das so?“ Sie flüstert und seufzt tief. „Ich wollte eigentlich keine traurige Geschichte erzählen. Eigentlich habe ich angerufen, weil ich jedem einen Rat mit auf dem Weg geben möchte. Niemand ist perfekt und das ist auch nicht wichtig. Das einzige, was wirklich zählt, ist, dass dich jemand so nimmt wie du bist. Denn jeder Mensch ist es wert geliebt zu werden. Ohne Wenn und Aber. Naja, und jeder Mensch ist es wert zu wissen, dass er geliebt wird. Dadurch vergibt man sich nichts. Im Gegenteil, es macht alles noch viel schöner.“
„Das hast du sehr schön gesagt“, möchte ich sagen, aber soweit komme ich nicht mehr. Es ertönt bereits das Leerzeichen. Marie hat bereits aufgehängt.
„Es ist drei Uhr dreißig und meine Zeit ist zu Ende. Nehmt euch Maries Worte zu Herzen. Das war Dreamnight, die aufregendste Show der Stadt und ich wünsche euch noch eine wundervolle Nacht.“
Ich lassen den Kopfhörer fallen und lege meinen Kopf auf die Tischplatte. Ich bin erschöpft, müde und ausgelaugt. Maries Worte haben mich bewegt und Dinge in mir wachgerüttelt, die Selbstzweifel in mir wachrufen. Gerade als ich den Kopf hebe, sehe ich Marc mit dem Rücken zur Glaswand stehen, wie er mit den Armen herumwedelt. Und dahinter sehe ich eine dunkelbraune Lederjacke. Paul. Marc wird ihm sagen, dass ich bereits gegangen bin. So schnell ich kann, springe ich auf, stolpere über die Kabel am Boden und reiße die Tür auf. Paul öffnet gerade die Eingangstür als er inne hält und sich zu mir umdreht.
„Anna?“ fragt er erstaunt. Du bist noch da?“
„Ja“, antworte ich schnell, greife nach meiner Jacke und werfe Marc einen kurzen Blick zu, der mich fragend beobachtet, ein zaghaftes Lächeln umspielt die Lippen. Er weiß, was in mich gefahren ist. Maries Worte haben mich berührt. Ich nicke Marc kurz zu, greife dann Pauls Hand und drücke ihm einen Kuss auf die Wange.
„Lass uns nach Hause gehen“, sage ich und drücke seine Hand noch ein wenig stärker. Ich werde Maries Rat befolgen. Jeder Mensch ist es wert, so geliebt zu werden, wie er ist. Bisher war ich blind, aber jetzt weiß ich, dass ich jede Sekunde genießen muss. Sie kann so schnell vorüber sein.


Freitag, 29. Juli 2016

Inide-Autoren-Challenge Jessica Raven



Im März 2015 hatten einige Autoren die Idee sich einer besonderen Herausforderung zu stellen. Ihnen sollten 15 Begriffe genannt werden und sie wollten eine Geschichte daraus machen, die mindestens drei Seiten lang sein sollte. Nach und nach möchte ich die Autoren und deren Geschichten vorstellen:



Jessica Raven über sich:


Ich wohne mit meinem Mann und den Kids in Österreich.
Meine Lieblingsbeschäftigung ist lesen und schreiben. Das habe ich als Kind schon geliebt.

Ansonsten bin ich ganz normal 😉 naja mein Mann sagt da zwar manchmal was anderes, aber der wird jetzt nicht gefragt^^

Meine einzige Schwäche ist, dass ich eine absolute Träumerin bin. Aber eigentlich sehe ich es nicht als Schwäche.







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Nicole König hat Jessica Huber / Jessica Raven nominiert.

1. Buchsbaum
2. Schokoladeneis
3. Ölwechsel
4. Kamin
5. Butterkekse
6. Nationalhymne
7. Simkarte
8. Herbstlaub
9. Haartönung
10. Kerzenschein
11. aufbrausend
12. Wettkampf
13. Hochwasser
14. Blutwurst
15. Kuscheldecke



 Entstanden ist aus 15 Wörtern ist diese Geschichte:

Darius steht stolz auf dem Podest und lauscht der Nationalhymne. Niemand hätte gedacht, dass nach dem Hochwasser alles wieder so schnell befahrbar ist. Die Strecke war ohne Schaden davon gekommen und der Straßenbelag heute perfekt für seine Reifenwahl.
Er ist so stolz und voller Freude, doch von außen wirkt er ganz cool. Niemand würde ihm den inneren Freudentanz ansehen. Langsam lässt er den Blick über die Menschenmenge schweifen. Viele Augenpaare sind auf ihn gerichtet, doch er ist nur auf der Suche nach einem gewissem Paar. Diese Dunkelblauen Augen würde er sofort wieder erkennen.
Raven. Seine große Liebe. Leider weiß sie das noch nicht. Nachdem er damals sein Handy samt Simkarte verloren hatte, war auch ihre Nummer weg. Damals bei dem Wettkampf ging es so heiß her, das in der Eile dann vieles verloren ging.
Die Siegerfeier ist vorbei. Nun kann sich Darius endlich in seine Box begeben und noch schnell einen Ölwechsel machen, bevor die Reise weiter geht.
Am späten Abend kommt Darius völlig erschöpft nach Hause. Leider war sie heute wieder nicht hier. Wann wird er sie wieder sehen? Kaum ist der Gedanke raus, klingelt es an seiner Türe. Er marschiert zur Türe und reißt sie, ohne durch den Türspion zu sehen, auf. Er traut seinen Augen nicht! Denn er sieht gerade in die wundervollsten Augen, die er je gesehen hatte.
„Hi.“
„h-hi“ , stottert Darius. Er kann es nicht glauben. Schon lange sucht er nach ihr und jetzt steht sie einfach so vor seiner Türe.
„Ähm, sorry das ich dich so spät noch störe, aber ich habe hier was für dich.“ , sagt Raven mit einer samt weichen Stimme.
„Komm doch erst einmal rein.“ , bietet ihr Darius an und macht mit der Hand eine einladende Geste. Ihre erste gemeinsame Nacht liegt schon sehr lange zurück. Damals hatte er sie nach einem Training kennengelernt. Er ging mit ihr an dem Abend einfach im Wald spazieren. Sie marschierten über das Herbstlaub und redeten. Dieser Abend war perfekt gewesen. Zu Hause machte der dann für sie den Kamin an und legte eine Kuscheldecke davor. Nicht nur das Feuer knistere in dieser Nacht.
„Was kann ich für dich tun?“ , fragt Darius. Raven kramt in ihrer Handtasche und holt etwas heraus.
„Hier. Das fand ich bei einem Buchsbaum. Und ich weiß, dass es dir gehört. Du warst an dem Abend so aufbrausend, da musst du es verloren haben.“ Raven reicht ihm sein kaputtes Handy. Dankend nimmt Darius es entgegen. „Dein Haar scheint etwas dunkler zu sein, oder?“ , fragt er plötzlich. Erst jetzt fällt ihm das auf.
„Ja, ich habe etwas mit einer Haartönung experimentiert.“ Verlegen fährt sich Raven durch das lange Haar.
„Es steht dir.“ Eine erdrückende Stille kehrte ein. „Setz dich. Ich hol uns was zu Trinken und zu knabbern.“ Darius marschiert in die Küche und sucht nach etwas brauchbarem. Alles was er findet sind Butterkekse, Schokoladeneis und eine Blutwurst. Warum zum Teufel habe ich diese Sachen eigentlich?
Bewaffnet mit den Keksen und einer Flasche Wein kommt er wieder ins Wohnzimmer. Raven sitzt auf dem Sessel und sieht raus in die Nacht. Darius öffnet den Wein und zündet die Kerze an, die er auf dem Tisch stehen hat. Im Kerzenschein genießen die beiden ihren Wein.
In dieser Nacht gesteht Darius Raven endlich seine Liebe.

Donnerstag, 28. Juli 2016

Indie-Autoren-Challenge Kathrin Lichters

Im März 2015 hatten einige Autoren die Idee sich einer besonderen Herausforderung zu stellen. Ihnen sollten 15 Begriffe genannt werden und sie wollten eine Geschichte daraus machen, die mindestens drei Seiten lang sein sollte. Nach und nach möchte ich die Autoren und deren Geschichten vorstellen:



Kathrin Lichters wurde 1986 in einer Kleinstadt im Rheinland geboren und wuchs dort in einer großen, chaotischen und etwas verrückten Patchworkfamilie auf. Schon als sie ein kleines Mädchen war, versorgte ihre unkonventionelle Uroma sie mit etlichem Lesestoff und erfand mit ihr lustige Geschichten. Ihre große Liebe ist, wie es der Zufall so will, auch ihr bester Freund, mit dem sie eine kleine Familie gegründet hat. Neben ihrem kleinen Sohn, der sich ausschließlich Geschichten von seinem Vater vorlesen lassen will, gehören noch zwei Katzen, ein Hund und hoffentlich bald eine Schildkröte mit dem Namen Pebbles zu ihrer Familie.
Ihr Debütroman Sandkasten-Groupie und die Fortsetzung erschien im Februar 2015 neu und wie aus dem Ei gepellt unter 'Backstage-Love Unendlich nah' im Feelings Programm vom Droemer Knaur Verlag. Die Fortsetzung der Reihe wird im März 2015 unter dem Namen 'Backstage-Love Für immer vertraut' erscheinen. Im September folgt der dritte Band 'Backstage-Love Kopfüber verliebt'. Alle Teile der Dark Ages Trilogie sind bereits in Eigenregie erschienen. Im August 2016 erscheint der erste Teil der 'Carhill-Sisters'-Liebesromanreihe bei Feelings vom Droemer Knaur Verlag.


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Kathrin Lichters wurde von Nicole König nominiert.


Fliege
Hannover
Engagement
Bleistiftspitzer
Entenpärchen
Heliumballon
Haargummi
Cappuccino
Raststätte
Ausflugsschiff
Leihhandtücher
Cocktailkarte
Käsekuchen
Enthusiasmus
Müde


Das Geschenk
Leyla brach von der Raststätte auf und fuhr die gewohnte Ausfahrt ab, die sie schnellstmöglich zu dem Ort brachte, wo sie erwartet wurde. Als sie in das schäbigste Viertel ganz Hannovers fuhr, nahm die Bestürzung zu. Mit jedem Kilometer, dem sie ihrem Ziel näher kam wurde ihr Herz schwerer. Es war als pumpe es kein Blut sondern Blei durch ihre Adern. Sie sah die verschmierten Hauswände, den Müll, der auf offener Straße entsorgt worden war und die herumlungernden Typen, die sich gegenseitig etwas zusteckten. Leylas Enthusiasmus sank auf den Nullpunkt. Sie hielt vor einem heruntergekommenen Mehrfamilienhaus, aus dem laute Rapmusik zu ihr hallte. Auf den unleserlichen Klingelschildern suchte sie nach dem richtigen Namen. Doch da öffnete die Tür sich bereits. Im Hausflur roch es nach Urin, vermischt mit schalem Bier. In der ersten Etage lag ein Mann, dessen Zustand für Leyla nicht ganz klar war. Sie wollte schon nach seinem Puls fühlen, als sie eine rauchige Stimme anherrschte: „Lass den liegen. Das ist Berti. Der schläft manchmal hier.“
„Im Hausflur?“, echote Leyla und sah in das Gesicht einer mitgenommenen Frau höheren Alters. Sie sah genauso aus, wie sie sie in Erinnerung hatte.
 „Besser als unter der Brücke oder etwa nicht?“ Sie ließ die Tür einen Spaltbreit auf und ging, ohne etwas zu sagen in die Wohnung hinein. Leyla folgte ihr mit klopfendem Herzen. Etliches ungespültes Geschirr stapelte sich auf der Anrichte im Flur, wo sich ein paar Fliegen um die Essensreste stritten. Leyla stieg über den Krempel, der in dem Raum verteilt worden war und verhedderte sich prompt in einer Plastiktüte.

„Ist er da drin?“, fragte Leyla, als die Frau vor einer geschlossenen Tür hielt. „Hat nichts als Ärger gemacht, der kleine Scheißer. Ich bin zu alt für sowas!“, schimpfte sie und zündete sich eine Zigarette an. Daran zweifelte Leyla nicht eine Sekunde. Die Frage war nur: War sie besser in ‚sowas?‘
Die Tür wurde aufgestoßen und Leyla sah die unzähligen PET Flaschen, die in Plastiksäcken gesammelt wurden. Es dauerte einen Augenblick, ehe sie den kleinen Jungen hinter den Bergen von Müll wahrnahm. Er saß verängstigt in der Ecke und starrte zu ihr auf. Es war fast ein halbes Jahr her, dass sie ihn gesehen hatte und Leyla überlegte, wie er wohl auf sie reagieren würde.
Mika lächelte nicht, wie sonst immer. Sein Gesicht war völlig ausdruckslos. Leyla reichte dieser Anblick um loszuheulen. Doch sie riss sich zusammen. „He Champ“, grüßte sie ihn, bahnte sich einen Weg durch die wahllos zusammengewürfelten Dinge und ging vor ihm in die Hocke. Das strubbelige Haar stand in alle Richtungen ab und seine Augen waren gerötet. Sie gab ihm die Faust, in die er sonst immer einschlug. Heute nicht. Er sah sie an und wirkte vollkommen hilflos.

„Entschuldige, dass ich nicht eher hier sein konnte. Weißt du, warum ich da bin?“ Mika nickte, während er die Nase hochzog und sie am Pullover abwischte. „Mami ist tot!“ Leylas Hals schnürte sich zusammen und ihre Hände zitterten. „Ich habe kein zu Hause mehr!“ Genau so fühlte sie sich auch.
Jessi war ihr Anker gewesen, ihre Rettungsleine, ihr Halt, ihr Zuhause. Einer Schwester hätte sie nicht näher sein können. „Du hast mich. Ich bin dein zu Hause, wenn du das möchtest.“ Mikas Miene hellte sich auf, wenn auch nur einen winzigen Augenblick.
„Du meinst, ich muss nicht hier bleiben?“ Leyla schüttelte vehement den Kopf. „Nein. Ich möchte dich abholen.“ Plötzlich richtete Mika sich auf und deutete auf eine Tasche. „Ich habe alles gepackt. Können wir los?“ Leyla lächelte und folgte ihm aus dem Raum. Im Vorbeigehen nahm sie die Reisetasche in die Hand, während Mika seine kleine Hand in ihre andere schob. Sie sah zu ihm hinunter und fragte: „Möchtest du dich von … von deiner Großmutter verabschieden, Mika?“ Er schüttelte den Kopf und versteckte sich hinter ihr.

Sie sah der Frau ins Gesicht, die Anhand des Todes ihrer Tochter kein bedauern zeigte. Engagement für das einzige Enkelkind sah anders aus. Leyla blieben jegliche Beileidsbekundungen im Halse stecken und sie verabschiedete sich eilig. Erst als sie mit Mika im Auto saß, atmete sie hörbar aus. In diesem Moment wusste sie, dass sie das Richtige tat. Sie mochte sich noch so unzulänglich fühlen, aber alles war besser als das hier.

 „Wo fahren wir hin?“ „Ich möchte dir etwas zeigen!“ Die Sonne blinzelte hinter den weißen Wolken hervor und Leyla setzte die Sonnenbrille auf die Nase, als sie am Parkplatz des kleinen Sees ausstieg. Mika war durch die kurze Autofahrt vor Erschöpfung eingeschlafen und Leyla brach es das Herz ihn wecken zu müssen. Er musste unglaublich müde sein. Sie nahm ihn auf den Arm, damit er in Ruhe wach werden konnte und betrat mit ihm das niedliche Café am Ufer. Sie bestellte einen Cappuccino für sich und ein Stück Käsekuchen mit einem Kakao für Mika. Sie streckte alle Glieder von sich und band die langen Haare mit einem Haargummi zusammen.

Vor einem halben Jahr war sie nach einer gescheiterten Ehe und einem Haufen Schulden nach München geflüchtet. Jessi hatte ihr geholfen, die Reste ihres bekümmernswerten Lebens in Kisten zu verpacken. Sie erinnerte sich genau an das Gesicht ihrer besten Freundin, als sie mit einer Flasche Tequila und einem Käsekuchen vor der Tür ihrer alten Wohnung gestanden hatte. Es war als könne sie den Klang ihres Lachens immer noch in den Ohren hören. Leyla blinzelte die aufsteigenden Tränen fort. Jessi hatte es geschafft, dass Leyla sich nicht wie ein Versager vorkam, weil sie ihre Ehe hatte scheitern lassen und nun fluchtartig die Heimat verließ. Leyla hatte immer geahnt, dass Jessi sie insgeheim um den Neustart beneidete. Als Mutter sagte man so etwas natürlich nicht. Schließlich liebte man sein Kind. Doch in Wahrheit hatte Jessi nichts dergleichen gesagt, weil sie gewusst hatte wie unangebracht das gewesen wäre. Leyla hatte drei Jahre ihres Lebens darauf verschwendet, mit ihrem Exmann Chris ein Kind zubekommen. Sie war bei jedem Spezialisten in Deutschland gewesen und hatte sich mehrere Tausend Euro verschuldet. Schlussendlich hatte sie sogar ihren Mann an eine Bardame namens Kelly verloren, die von ihm, nach angeblich nur einer Nacht, schwanger geworden war.

Für Leyla war damals kein Platz in Hannover gewesen. Wie hätte sie auch nur das Risiko eingehen können, ihrem Ex mit einem Kinderwagen über den Weg zu laufen. Unvorstellbar. Sie blickten zu dem Ufer eines kleinen Sees, an dem sie einst ein Mädchen namens Jessi kennengelernt hatte. Sie schreckte hoch, als Mikas Kakao sich über den Tisch ergoss. Der Kellner brachte eilig ein paar Handtücher, die sie zum Trocknen des Missgeschicks brauchte. Mika sah bestürzt aus und seine Unterlippe zitterte bedenklich, während Leyla die Cocktailkarte von dem klebrigen Kakao befreite. 

„Hey Kleiner, das ist gar nicht schlimm und passiert mir auch regelmäßig. Du wirst sehen, wie viele Unglücke du mir helfen musst wegzuwischen. Da kannst du dich schon mal drauf einstellen!“ Seine Miene hellte sich auf. „Darf ich an den See gehen?“ Leyla nickte und bat: „Bitte bleibe da, wo ich dich sehen kann, ja?“ Er stimmte zu und erkundete das Ufer, während Leyla die Leihhandtücher dem Kellner zurückbrachte. Er stellte einen Korb voller altem Brot auf die Theke und deutete auf den See, auf dem ein Entenpärchen schwamm. Er sah sie lächelnd an. „Ich dachte, Ihr kleiner Sohn könnte eine Aufmunterung vertragen.“ Sie sah in die freundlichen Augen und wollte schon erwidern, dass er nicht ihr Sohn sei. Doch da hielt sie inne. Es fühlte sich zwar nicht richtig an, Jessi zu übergehen. Andererseits, wenn Mika nicht zu ihr gehörte, zu wem gehörte er dann? Sie bat um die Rechnung und sah, wie der Kellner seinen Stift kurz mit einem Bleistiftspitzer wieder schreibtauglich machte. Leyla bezahlte und bedankte sich für das alte Brot.

Das Ufer des Lachmannssees sah noch genauso aus, wie vor zwanzig Jahren und war der einzige Ort an dem Leyla sich Jessi nahe fühlte. Abgesehen vielleicht von ihrer alten Wohnung. Dort war sie jedoch vor wenigen Stunden geflohen, weil sie beim Anblick der halbvollen Teetasse und den Kuschelsocken auf dem Sofa aus dem Weinen nicht mehr heraus kam. Alles war so hergerichtet, als käme Jessi jeden Moment aus dem Bad oder vom Einkaufen zurück. Doch das würde nicht geschehen. Diese Ungerechtigkeit war nicht zu überbieten.

Leyla gab Mika das Brot und begann mit ihm die Enten zu füttern. Anschließend ließ sie sich auf einem Stein nieder und sah Mika dabei zu, wie er das Brot in den See warf. Diesen Platz hatte sie einst bei einer Fahrt mit ihrer Klasse auf einem Ausflugsschiff entdeckt und seither ihre Freizeit ausschließlich hier verbracht. An diesem Ort hatten Jessi und Leyla viele Tränen vergossen, Partys gefeiert und sich Geheimnisse anvertraut. Hier hatte Jessi ihr von der ungeplanten Schwangerschaft erzählt. Damals war sie so verzweifelt, weil sie glaubte keine gute Mutter sein zu können, weil sie ihr Kind ohne Vater aufziehen musste. Doch in Wahrheit war sie die beste Mutter aller Zeiten gewesen. Wie sollte ein kleiner Kerl von fünf Jahren den Mut haben, ohne seine Mutter aufzuwachsen? Wie, wenn sie selbst noch nicht wusste, wie sie je ohne Jessi leben könnte.

Sie holte tief Luft und nahm den Umschlag heraus, den sie in der Nachttischschublade von ihrer Freundin gefunden hatte. Auf dem Brief stand mit feinsäuberlicher Handschrift ihr Name geschrieben. Ihre Hand zitterte wieder, als sie ihn öffnete.

„Meine liebste Leyla, ich schreibe den Brief zu einem Zeitpunkt in meinem Leben, wo ich Sicherheiten möchte. Ich hoffe, du wirst ihn nie zu lesen bekommen, aber falls doch, weiß ich ganz genau, wie du dich fühlen wirst. Zwischen uns beiden gab es immer dieses besondere Band und ich bin sicher, solltest du vor mir sterben, würde ich das nicht überleben. Ganz ehrlich, du warst immer die Stärkere von uns beiden. Ich weiß, dass du jetzt vehement den Kopf schüttelst, aber glaube mir Schätzchen, du irrst dich. Du darfst mich in jeder verrückten Sekunde vermissen, dich betrinken und eine Zeitlang mit riesigen Eispackungen vor dem Fernsehen sitzen. Dann gehst du da raus und holst dir das Leben, das du verdienst, in Ordnung? Denn mein Sohn wird dich dringend brauchen. Ich habe nie mit dir darüber gesprochen, weil ich wusste, du würdest versuchen mir diese Sache auszureden. Du glaubst nicht, dass das Universum gewollt hat, dass du Mutter wirst. Aber wenn du diesen Brief jemals zu sehen bekommst, dann winkt das Schicksal mit dem Zaunpfahl, Leyla. Ich weiß, dir kommt die Verantwortung riesig vor, aber ich wüsste niemanden dem ich mein Kind mehr anvertrauen könnte, als dir. Du kennst mich, meine Überzeugungen und all die Dinge, die ich zu ihm sagen würde, falls er je Scheiße baut, oder im Begriff ist die falsche Frau zu heiraten. Du weißt dann, was zu tun ist. Du wirst die beste Ersatzmami sein, die die Welt zu bieten hat. Mika darf nicht voller Wut sein, weil er mich hergeben musste. Bring ihm bei, das Leben zu lieben. Bring ihn zum Lachen, denn sein Lachen ist so wunderschön. Lass ihn später das tun, was er liebt, nicht was ihn reich macht. Er soll, wie du, ein Freigeist sein und seinen eigenen Weg finden. Das Einzige, was ich mir für ihn wünsche, ist Glück und Liebe. Er ist meine große Liebe. Er wird dir den Weg weisen. Keine Angst ich werde immer da sein und euch über die Schultern sehen. (Haltet Ausschau nach den Zeichen.) Ihr werdet ein Geschenk füreinander sein. Liebt euch, so wie ich euch liebe!

Jessi Tränen bahnten sich den Weg über Leylas Wange und sie wischte sie eilig fort, weil Mika besorgt zu ihr rübersah. Er nahm Leylas Hand und fragte: „Weinst du wegen Mami?“ Leyla nickte und schloss ihn in die Arme.
„Glaubst du, sie ist im Himmel?“ Leyla sah hinauf zu dem blauen Himmel und entdeckte einen Heliumballon aufsteigen. Leyla lächelte und deutete auf den Ballon: „Ich würde sagen, dass ist ein Zeichen von ihr, oder? Sie hat Ballons geliebt.“ Mika lächelte und begann wild dem Ballon zu winken. „Hallo Mami, keine Angst, ich bin jetzt mit Leyla zusammen!“ Dann nahm Leyla Mikas Hand und hielt sie ganz fest, während sie die Enten fütterten.

Mittwoch, 27. Juli 2016

Rezension - Das Haus der Toten


Autorin: Roxann Hill

Titel: Das Haus der Toten

Genre:  Krimi

Version: eBook und Taschenbuch

erschienen: 31. März 2016

Seiten: 326

Altersempfehlung: Erwachsene







Die Autorin  Roxann Hill wurde in Brünn/Tschechien geboren. Während des Prager Frühlings flüchtete sie als kleines Mädchen mit ihren Eltern nach Deutschland, wo sie aufwuchs und auch heute noch lebt. Mittlerweile widmet sie sich ausschließlich dem Schreiben und muss sich außerdem um zwei Kinder, zwei große Hunde und einen Mann kümmern. Roxann Hill schreibt Romane, die sie selbst gerne lesen würde: romantisch, phantastisch, Krimi/Thriller. Vitales Zentrum ihrer Romane ist und bleibt aber immer die Liebesgeschichte.


Kurzbeschreibung, übernommen:
Der fünfte Fall mit dem ungleichen Ermittlerduo Anne Steinbach und Paul Wagner, das sich nicht nur durch die Aufklärung von Morden verbunden fühlt.
Ein entsetzlicher Fund – ein schreckliches Geheimnis. Im Keller eines alten Hauses entdecken Arbeiter die eingemauerte und vollständig skelettierte Leiche einer Frau. Auch ein Koffer wird aus dem Grab geborgen, und dessen grauenvoller Inhalt übersteigt alles, was Anne Steinbach ertragen kann. Gemeinsam mit Paul Wagner übernimmt sie den rund zwanzig Jahre zurückliegenden Fall. Wer war die Tote? Warum wurde sie nicht als vermisst gemeldet? Und was trieb ihren Mörder dazu, sie bestialisch zu verstümmeln? Überschattet durch berufliche und private Probleme stehen die Ermittlungen des Duos unter keinem günstigen Stern. Jede Spur endet in einer Sackgasse. Schließlich wendet sich das Blatt. Doch der Preis ist hoch, denn plötzlich ist der Tod hinter Anne und Paul her.


Meine Meinung:
Es war für mich als Krimifan und Serienjunkie klar, dass ich auch dieses Buch, in dem  Anne Steinbach und Paul Wagner ermitteln, lesen wollte. Nun, wie es im Leben oft  ein Auf und Ab gibt, sind die Teile einer Krimiserie mal mehr und mal weniger spannend. Ich möchte jetzt nicht behaupten, dass ich mich gelangweilt habe und es nicht spannend war, aber ich meine, dass der eine oder andere Fall mich mehr begeistert hatte. Es kann natürlich auch daran liegen, dass die Frau schon zwanzig Jahre im Keller des Hauses lag. Ich weiß es nicht. Trotzdem war es besonders für Anne, die sich diesmal nicht besonders clever anstellte, sehr gefährlich und ich habe natürlich gebibbert und gehofft, dass es für sie gut ausgeht.
Ganz besonders interessant fand ich diesmal die private Situation aller Beteiligten. Über Anne und Paul, aber auch über Lorenzo Falcone und Prof Satorius habe ich wieder einiges erfahren und gerne von ihnen gelesen. Schließlich hatte ich in den anderen Büchern ja auch von ihren Problemen und Krisen lesen können. Wobei ich hier erwähnen möchte, dass jedes Buch für sich abgeschlossen ist, ich es aber gut finde, wenn alle in der richtigen Reihenfolge gelesen würden.

Fazit:
Auf jeden Fall habe ich auch dieses Buch wieder verschlungen und ich freue mich schon auf die nächste Folge. Natürlich gebe ich hier gerne eine Leseempfehlung.