Lieber Andreas,
ich freue mich, dass Du Dich meinen Fragen stellen möchtest.
Aber zunächst kommen ein paar Zeilen zu dem Thema, wie habe ich den Autor
Kriminalinski kennen gelernt.
In Düsseldorf gibt es den
Verlag edition Oberkassel, zu dem Verleger habe ich vor einiger Zeit mal
Kontakt aufgenommen und seitdem schaue ich regelmäßig welche Neuerscheinungen
es dort gibt. Als Krimifan wurde ich auf das Buch „Ministermord“ aufmerksam,
neugierig geworden, wollte ich es lesen und habe es dann natürlich auch
rezensiert. Das war im März 2018. Kurze Zeit später wollte ich zu einer Lesung
von Brigitte Lamberts und dort wurdest Du mir angekündigt. Es war ein sehr
unterhaltsamer Abend, denn Du warst der Lesepartner von Brigitte Lamberts und
Sabine Giesen. Hervorragend! Später war ich bei einer Lesung in Jacques
Weindepot, dort hast Du mit verschiedenen Autoren Kurzgeschichten aus einer
Anthologie gelesen. Ich gehe mal davon aus, dass wir uns noch öfter treffen
werden. Aber es ist schon interessant, wie sich alles so entwickelt.
Vor der Lesung im April 2018,
drei Autoren auf einen Schlag 😉
Sabine Giesen, Brigitte Lamberts
und Andreas Kaminski
Wie immer wird meine Vorrede lang, aber das ist bei mir nun mal so 😉
Jetzt starte ich aber endlich
Lieber Andreas,
auf Deiner Homepage habe ich gelesen, dass Dein wahrer Name
Andreas Kaminski ist, wie bist Du auf die Idee gekommen, den Namen abzuändern
in Kriminalinski?
Liebe Ulla, zunächst möchte ich dir für die Einladung zu
diesem Interview danken! Unbekannte Autoren, die in Kleinverlagen
veröffentlichen, freuen sich wie Bolle über jede Art der Sichtbarkeit. Dafür
danke ich dir im Namen vieler solcher Autoren!
Dann kurz zu deiner wunderbaren Einleitung: Auch ich freue
mich, dass wir uns persönlich kennengelernt haben. Und: Du bist auf einen der
besten Verlage der ganzen Welt gestoßen! Zwei großartige und liebe Kolleginnen
von mir aus jenem Verlag hast du bereits erwähnt. Ich erinnere mich noch gut an
die von dir angesprochenen Veranstaltungen. Tolle Abende mit tollen Menschen
und einer Menge Spaß!
Jetzt, endlich, zu deiner Frage. Übrigens: Ich wäre dir
überhaupt nicht böse, wenn du von meinen Antworten Unwesentliches einfach weg
schneidest. Ich verliere mich gern in ausufernde Weitausholungen, ich kreiere
auch gern neue Begriffe, und verwende sie, bevor der Duden sie aufgenommen hat,
aber so bin ich. Der kurze Dank am Anfang und das Eingehen auf deine Einleitung
waren mir wichtig. Du darfst das gerne anders sehen und ob meiner Vorrede zur
Schere greifen.
Also, wie schon erwähnt, zu deiner Frage, die da lautete
(Moment, ich scrolle kurz hoch; ach ja, bin wieder drin): Genau so ist es.
Ich merke selbst, die Antwort ist nicht befriedigend, daher
werde ich dir, und jetzt, versprochen, Scherz bei Seite, ein Geheimnis verraten.
Ich verrate dir nicht nur, wie ich auf die Idee gekommen bin, mir ein Pseudonym
zuzulegen, ich verrate dir sogar, wie ich auf selbiges kam. Das ist nämlich die
weit aus witzigere Geschichte! Also, zunächst überlegte ich, wie vielleicht
viele Kolleginnen und Kollegen am Anfang: richtiger Name oder Pseudonym? Ich
entschied mich für letzteres, weil ich hoffte, allein durch den Namen
„Kriminalinski“ in der Flut der vielen Tausend Krimis pro Jahr aufzufallen. So,
und jetzt zu dem angekündigten Geheimnis. Dafür müsste ich etwas ausholen. Ich
mache es kurz, versprochen!
Es war zu jener Zeit, als ich noch nicht schrieb. Ich war
gerade zu einer großen, internationalen Firma gewechselt. Darüber hinaus hatte
ich Kontakt zu einem italienischen Krawattenfabrikanten, für den ich unter der
Hand, oder besser: aus dem Kofferraum meines Dienstwagens heraus,
Marken-Krawatten an meine männlichen Kollegen verkaufte. Immer freitags, 13
Uhr, Parkplatz Nebeneingang. Zu erst kamen die unmittelbaren Kollegen meiner
Fachabteilung, später kam die ganze Firma bis hoch zum Vertriebsleiter an
meinen mobilen Verkaufsstand (Dienstwagen!). Auch Frauen, für ihre Männer zu
Hause. Einer meiner Kollegen war so nett, für mich Werbung zu machen. Ich
selbst traute es mich nicht, war ja noch in der Probezeit. Er schrieb jeden
Freitag Vormittag folgende E-Mail: „Krawattinski, 13 Uhr, Parkplatz
Nebeneingang.“ Er meinte, er würde meinen richtigen Namen raushalten. Ich
sollte mir mal keine Sorgen machen wegen der Probezeit. Was soll ich sagen? Das
Geschäft brummte. Ich wurde in der Firma nur noch Krawattinski genannt und war
schlagartig bekannt. Meinen richtigen Namen kannten nur die Kollegen meiner
Abteilung. Don Krawattino aus Italien küsste mir die Füße, er kam mit der
Fertigung unlizenzierter Marken-Krawatten gar nicht hinterher. So kam ich
schließlich auf die Idee, mir als Krimi-Autor das Pseudonym „Kriminalinski“ zu
verpassen; der Name ist Programm. Todsicher.
Auf Deiner Homepage habe ich auch gelesen, dass Du ein Schreibseminar
besucht hast und danach zum Schreibtischtäter wurdest. Was war denn der Grund
dieses Seminar zu besuchen?
Ach Ulla, wieder so eine Frage zum weit Ausholen und zum
Schmunzeln. Solche Fragen liebe ich ja, wirklich. Jetzt kommt etwas, das du
schon kennst: Es war zu jener Zeit, als ich noch nicht schrieb. Ich war gerade
(Achtung, überraschende Wendung! Plottwist!) zu einer kleinen Start-up Firma
gewechselt. Böse Zungen könnten behaupten, das hätte mit freitags, 13 Uhr,
Parkplatz Nebeneingang, zu tun. Stimmt aber nicht. Dazwischen lagen ein paar
Jahre. Ich muss es wissen, ich war dabei. Die bösen Zungen nicht. Jedenfalls,
damit komme ich zurück zu deiner Frage, war es einer jener Freitage (okay, das
ist jetzt Zufall), dass ich in meinem Homeoffice saß und keinen Bock auf Arbeit
hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes musste mich die Muse geküsst haben, denn
ich verspürte plötzlich den unbändigen Drang zum Fabulieren. Ich begann eine
fiktive Geschichte zu schreiben, die mit den Ereignissen des jungen Start-up
Unternehmens, welches ich als freier Mitarbeiter unterstützte, zu tun hatte.
Wir waren zu dritt und ungefähr ein halbes Jahr mit unserer Dienstleistung auf
dem Markt. Hatten mit weiteren freien Mitarbeitern, mit Geräteherstellern, mit
Universitäten, mit unserem Vermieter und mit vielen anderen Menschen und Dingen
zu tun gehabt. Einiges lief gut, anderes ging schief, das wichtigste aber war:
Wir hatten Spaß an unserer Arbeit, verstanden uns gut und haben viel gelacht.
Also schrieb ich in einem Moment der Arbeitsunlust, beseelt vom Kuss der Muse,
an einem Freitag Vormittag eine E-Mail an meine beiden Partner, die in unserem
Büro weilten, während ich vom Homeoffice arbeitete. Oder es hätte tun sollen.
Ich schrieb, per E-Mail, den ersten Teil eines Fortsetzungs-Tagebuches. Ich
verarbeitete darin Geschehnisse aus unserem betrieblichen Alltag in Form einer
„Star-Wars-und-Raumschiff-Enterprise“-Persiflage. Diese geistreiche Verspottung
durch übertreibende Nachahmung kam so gut an bei meinen Kollegen, dass sie
lachend das Wochenende einläuteten. Natürlich verlangten sie nach mehr und ich
lieferte, alle paar Tage einen neuen Tagebucheintrag zu „Nievenheim Wars“.
Unser Büro befand sich zu jener Zeit in Neuss-Nievenheim auf dem Hof von Bauer
Spix, der, und so schließt sich ein anderer, lustiger Kreis, Namensgeber für
das Mordopfer im zweiten „Pommes-Willen“-Krimi geworden ist, der im Herbst 2019
im Verlag edition oberkassel erscheint.
So, liebe Ulla, das war das Ausholen. Ich komme jetzt zu dem
Grund, weshalb ich ein Schreibseminar besucht habe. Einer der beiden Kollegen,
nämlich der, der für PR zuständig war und über eine sehr gute journalistische
Schreibe verfügte, meinte, ich hätte so etwas wie Talent zum Geschichten
erzählen bzw. schreiben. Er riet mir, eine Schreibwerkstatt zu besuchen und
mich näher mit dem Kreativen Schreiben zu beschäftigen. Das tat ich dann und
zwar in Düsseldorf, an der edition oberkassel Akademie von Detlef Knut, meinem
späteren Verleger.
Was war zuerst da, die Idee Krimis zu schreiben oder hat
sich das durch Deinen besonderen Namen ergeben.
Zuerst war die Schreibwerkstatt mit Detlef Knut da. Ein
Wochenende voller inspirierenden Inputs. Ich wusste, ich wollte eher lustig
schreiben als ernst. Nachvollziehbar, denn für meine „Star-Wars“-Persiflage war
ich ja gelobt worden und Spaß hatte es beim Schreiben auch gemacht. Ich denke,
weil an dem Wochenende ein paar Mal das Wort Krimi fiel, kam ich drauf, Krimis
schreiben zu wollen. Denn ich war schon damals großer TV-Tatort Fan, hatte aber
noch keinen einzigen Krimi gelesen. Krimi war irgendwie das einzige Genre, zu
dem ich sofort eine Affinität hatte. Detlef Knut riet mir, viele Krimis zu
lesen („Wer schreiben will, muss auch lesen“, waren seine Worte). Durch ihn bin
ich dann auf die humorigen Regionalkrimis von Klaus Stickelbroeck und den
Krimi-Cops aufmerksam geworden. Und nach der ersten Stickel-Lesung wusste ich:
Das will ich auch! Ich will humorige Krimis schreiben und sie bei einer Lesung
dem Publikum präsentieren. Von da an war ich Feuer und Flamme für´s
Krimisschreiben.
Du hast anfangs Kurzgeschichten für Anthologien geschrieben,
wann kam die Idee ein „richtiges“ Buch zu schreiben?
Der Wunsch, einen Kriminalroman zu schreiben, war natürlich
da. Siehe vorherige Frage/Antwort. Durch Stickel war ich infiziert. Die
Kurzkrimis waren Projekt zum Üben. Aber nicht nur, ich lese gerne Kurzkrimis,
die hab ich schnell durch. An einem Kriminalroman mit 250 oder 300 Seiten sitze
bzw. liege ich gut und gerne ein paar Tage. Beim Schreiben von Kurzkrimis
kannst du vieles ausprobieren – du schreibst beispielsweise mal in der
Vergangenheitsform und mal in der Gegenwart. Mal aus Sicht des Ermittlers oder
mal aus Sicht des Mörders. Mal etwas Lustiges, mal etwas Ernstes. Und auch hier
kommst du schnell zum gewünschten Ende. Und irgendwann sagst du dir: So, und
jetzt der Roman! Dann legst du los.
Aber die Frage war ja, wann kam die Idee … Die kam
noch in Neuss, also bevor ich nach Cloppenburg zog. Ich hatte Titel und Idee,
beides kam irgendwie gleichzeitig. Zack, die Muse. Es war aber noch nicht der
richtige Zeitpunkt. Mein Leben gestaltete sich seinerzeit etwas kompliziert.
Das lustige Start-up Unternehmen hatte es leider nicht geschafft, wir gingen
pleite und jeder seiner eigenen Wege. Zu dieser Zeit plagten mich große
Existenzsorgen, zum Schreiben des Romans fehlten mir Mut und Ausdauer.
Kurzkrimis waren meine Therapie. Erst als ich in Cloppenburg war und meine
Existenz gesichert hatte, hatte ich die innere Kraft, mich an den Kriminalroman
zu wagen.
Du hast ja noch einen Brotjob, deshalb die Frage, wie lange
schreibst Du an einem Buch?
Der Brotjob ist meine Existenzsicherung. Ich arbeite nur in
Teilzeit, muss also mit wenig Geld zurecht kommen. Dafür habe ich allerdings
eine ganze Hälfte eines Tages zum Schreiben zur Verfügung. So hatte ich es mir
in der Theorie zumindest gedacht. Aufgrund zahlreicher Überstunden komme ich
nicht dazu, meinen Plan 1:1 in die Praxis umzusetzen. Aber irgendwie habe ich
es bei „Ministermord“ geschafft, den Abgabetermin einzuhalten. Ich glaube, ich
habe an meinem Debütroman 5 Monate geschrieben. Die Idee und damit den Plot
trug ich aber einige Jahre mit mir herum. Beim aktuellen Buch sieht es ähnlich
aus. Zwischen beiden Büchern liegen exakt 2 Jahre. Die Idee zum Folgeroman kam
schnell, aber die Umstände verhinderten einen früheren Schreib-Beginn.
Wie sieht Dein Schreiballtag aus, abends nach Feierabend
oder an den Wochenenden oder zwischendurch.
Wie gesagt, Theorie und Praxis … In der Theorie gehe ich an
den Werktagen vormittags zur Arbeit, komme mittags nach Hause, mache eine
aktive Mittagspause (Hunderunde) und setze mich dann an mein Manuskript. Je
nach Lust, Laune und Flow schreibe ich bis (weit) in die Abendstunden. Das ist
wie ein zweiter Job für mich. Das Wochenende soll der Regeneration dienen.
Haushalt ist ja auch zu machen (Samstag), und anderleuts Bücher lesen möchte
ich auch (Sonntag).
Kann es passieren, dass Dir während des Schreibens neue
Ideen kommen?
Geschlossene Frage, kurze Antwort: ja.
Wie findest Du die Ideen oder finden sie Dich?
Zack, die Muse. Sie mich, hätte ich jetzt gerne so stehen
lassen, kann ich aber nicht. Die vorherige Frage war ja schon knäppstens
beantwortet. Beim „Ministermord“ war es so, dass ich mir meine Idee über einen
längeren Zeitraum entwickelt habe. Es fing damit an, dass ich keinen
Kripo-Ermittler als Protagonist haben wollte. Aber auch keinen
Privatschnüffler. Mit gefiel die Figur eines Dorfsheriffs von Anfang an sehr
gut. Jenes geradlinigen, die Uniform stets in Ehren tragenden und oft einsamen
Helden, dem ich in TV-Western so gerne meine Aufmerksamkeit schenkte. Dann
hatte ich plötzlich den Titel im Kopf. „Ministermord“ und dachte, heißa, ein
schmuckes Wortspiel, mit dem sich plotmäßig doch etwas anfangen ließ.
Überraschende Wendung, war das Stichwort, etwas, das ich in der
Schreibwerkstatt zu schätzen gelernt hatte. Und hier steckt der Plottwist quasi
im Titel. Wird der Minister ermordet (so wie bei Königsmord) oder ist er gar
der Täter, wenn ich den Titel verkürzt für Mord des Ministers lese? Fragen über
Fragen, die nach Antworten verlangen. Die Summe dieser Antworten nenne ich
Romanidee. Die meisten Antworten kamen mir noch in den Rheinwiesen bei
Neuss-Uedesheim, meinem letzten Wohnort vor Cloppenburg.
Dein Ermittler hat den witzigen Spitznamen „Pommes“ wie
kamst Du denn auf diese Idee? Ohne frech werden zu wollen, drängt sich mir aber
trotzdem die Frage auf, steckt etwas von Dir in Pommes? 😉
Gemach, gemach, liebe Ulla, eines nach dem anderen. Aber
keine Angst, ich hole nicht mehr so weit aus. Versprochen. Nur so viel: Als der
liebe Gott jemanden suchte, dem er das Talent zum Entwickeln eigenwilliger
Spitznamen geben konnte, stand ich zufällig, mit Händen in den Taschen, ich
will nicht sagen „faul“, herum. Soll heißen, ich statte meine Mitmenschen gerne
mit, und darauf lege ich Wert, netten Spitznamen aus. Und weil mir mein
Protagonist von Anfang an sympathisch war, stand ihm praktisch ein Spitzname
zu. Allerdings muss ich sagen, der Name „Pommes“ war etwas abgekupfert. Ich
hatte meiner Figur, dem Dorfpolizisten Hendrik Willen, ein Handball-Hobby
angedacht. Schon als Kind spielte er Handball, aber auch jetzt noch, in der
Altherren-Mannschaft seines Vereins. Auch hatte ich ihn figürlich für mich
klar: so groß wie ich etwa, aber sportlich-schlank, eher schmächtig als
kräftig, blonde Haare, norddeutscher Küsten-Typ eben. Dann schaute ich
Handball-WM (oder EM?) und sah Pascal Hens, Spitzname „Pommes“ für Deutschland
spielen. Größe: 2,03 Meter, blond gefärbtes Haar, heller Hauttyp – man kann
auch sagen: lang und schlaksig wie ne Fritte. „Pommes“ habe ich mir erlaubt zu
übernehmen, aber nur eine Halbe oder Dreiviertel, von der Körpergröße her.
Der Vollständigkeit halber müsste ich hier auch erklären,
warum Willen Willen mit Nachnamen heißt. Wie gesagt, streiche, was du für über
hältst! Ab hier müsstest du die Schere ansetzen ...
Dorfsheriff ja u.a. deshalb, weil der mit Mord nichts zu tun
hat. Das machen die Kripo-Kollegen. Willens Motto lautet daher auch: Alles
außer Mord. Am Tatort hält er den Kollegen von der Kripo brav das rot-weiße
Flatterband hoch. Denkste! Nicht, wenn ich Willens Autor bin. Ich wollte (und
will), dass er, wenn auch widerwillig, und Pommes wird nicht müde, das zu
betonen, in Mordaufklärung verwickelt wird. Da passt der Name Willen doch gut: Entgegen
(oder auch: wider) seines eigenen Willen lässt er sich auf Mord ein. Und wenn
am Ende des Romans seine Freunde fragen: „Wer hat den Mörder gefasst?“ freut
Willen sich über ihre Antwort: „Wieder Willen!“. Daher: Sprechende Namen find
ich gut!
Zum letzten Teil deiner Frage, ob etwas von mir in meiner
Hauptfigur stecke. Ich möchte sagen, eher anders herum. Ich bewundere Pommes
(übrigens: ich nenne ihn in meinen Romanen nie so, ich nenne ihn immer Willen
oder der Dorfpolizist; andere sagen Pommes zu ihm; als Autor muss man seine
Protas nicht unbedingt duzen) für seine Geradlinigkeit und seinen Mut zu
moralischen Entscheidungen. In „Ministermord“ muss er sich zwischen
Dienstvorschrift und Freundschaft entscheiden, ein anderes mal muss er Gnade
vor Recht walten lassen. Er ist damit sehr souverän umgegangen. Ich selbst
hätte da mehr Probleme mit. Gut, wir haben denselben Musikgeschmack. Rock und
Pop aus den 80-er Jahren, Neue Deutsche Welle – Nena, Trio, Da Da Da und so.
Und: Willen ist wie ich Löwe. Aber auch nur, weil es die Personifizierung
einfacher macht. Ich weiß, wie Löwen ticken, also ist Willen auch Löwe. So weiß
ich, wie er in bestimmten Situationen reagiert.
Hast Du noch weitere Folgen mit Deinem Ermittler geplant?
Im Moment schreibe ich am zweiten „Pommes-Willen“-Krimi. Da
geht’s um den Tod eines Landwirts. Durch Zufall bin ich auf einen wahren Fall
gestoßen, der mich veranlasst hat, ihn aufzugreifen, zu modellieren und das
Ganze nach Cloppenburg zu verorten. Ein schöner, bestialischer Mordfall, nichts
für schwache Nerven.
Krimi Nr. 3 ist auch schon geplottet, das Exposé geht in
Kürze zum Verlag. Hier hat es Pommes Willen mit dem bösen Wolf zu tun. Großes
Thema (nicht nur) bei uns in Südoldenburg. Der Wolf ist zurück, oh Schreck, er
frisst auch kleine Kinder und Schafe. Pommes gerät dabei zwischen die Fronten
von Wolfs-Gegnern und jene, die mit der blutrünstigen Bestie am liebsten
kuscheln würden.
Wie ist das mit den Kurzgeschichten, fliegen Dir dort die
Ideen schnell zu? Wenn jemand eine Anthologie zusammenstellt, werden ja auch
immer gewisse Vorgaben gemacht und obwohl es ja kein ganzes Buch ist, muss
einem zu dem Thema auch etwas einfallen.
Keineswegs fliegen mir Idee für Kurzgeschichten zu.
Vorletztes Jahr wurde ich beispielsweise zu einer historischen Anthologie
eingeladen. Zunächst freute ich mich über die Einladung, merkte aber schnell,
dass mich das historische Thema überhaupt nicht packte. Da war nix mit zack,
die Muse. So sagte ich wieder ab, denn Schrott schreibe ich nicht, da ist mir
meine Zeit zu kostbar.
Selbes Jahr, anderes Thema, wieder eine Anthologie. Und
zack, die Muse. Lecker Küssken. Und da war sie, die Idee. Über Nacht war der
Kurzkrimi fertig geschrieben. So kann´s auch gehen, es ist nie gleich und oft
verschieden.
Wenn ich das so richtig mitbekomme, arbeitest Du viel mit
Autorenkollegen und Kolleginnen zusammen, was bringt Dir das als Autor?
Das ist wohl wahr. Oft wird gesagt, als Schriftsteller bist
du einsam, denn du sitzt alleine, bei Kerzenschein bis tief in die Nacht an
deinen Texten und kämpfst mit dir selbst um die richtigen Worte. Das kann so
sein, muss es aber nicht. Der Mensch ist ein Herdentier, der Autor ist ein
Mensch ergo sind alle Autoren Hammel, äh Herdentiere. Lass dir nix anderes
erzählen! Es gibt unzählige Autorengruppen, in denen sich Autoren regelmäßig
treffen und sich gegenseitig ihre Texte um die Ohren hauen. Ich habe dafür Frau
Doktor und Frau Doktor hat mich. Gemeint ist meine liebe, hochgeschätzte, oft
kopierte und nie erreichte Freundin Dr. Brigitte Lamberts, die du ja kennst.
Wir schicken uns unsere Texte zu, meist einzelne Kapitel, und geben uns
Feedback. Das ist wie ein Vorlektorat, bei dem wir auf Inhalt, Logik und
Spannung achten. Hin und wieder auch auf Schreibstil. Wir telefonieren oft dazu
und besprechen den Plot und die Handlungsalternativen unserer Figuren. Wir
schreiben alleine, sind aber nicht einsam. Zudem werden unsere Texte durch die
Zusammenarbeit qualitativ besser.
Du nimmst gerne an Lesungen teil, wie wichtig ist Dir der
Kontakt zu Lesern?
Ich liebe Lesungen, nur dafür schreibe ich! Ich mag es,
Menschen zu unterhalten. Deshalb schreibe ich Krimis mit Situationskomik und
Wortwitzen und nicht blutrünstige Thriller. Ich will mit meinen Lesern zusammen
lachen. Mag sein, dass andere sich gerne mit einander gruseln, meins ist das
Lachen und der Frohsinn. Ich frag mich gerade, was bei Lesungen der Genres
Romantic Thrill, Gay Romance oder Liebesromane abgeht. Kuschelt man da mit dem
Publikum? Poetisches Gang Bang; Entschuldigung, ich schweife ab. Nach der
Lesung Bücher signieren, mit dem einen oder anderen in ein Gespräch vertiefen,
lecker Pilsken zum Abschluss – so muss Lesung für mich sein.
Wer darf Dein Buch zuerst lesen?
Die Frau Doktor natürlich, also et Brigittschen. Die muss
vorab lesen, vorher gebe ich das Manuskript nicht ins Lektorat. Ihre Meinung
ist mir sehr wichtig, sie darf ihre Finger in die Wunde legen und Sätze sagen,
wie: „Das geht besser, etwas lustlos geschrieben“ oder „Liest sich
runtergerotzt“. Ja, wir sind beide Freunde vom Tacheles reden, da wissen wir,
was gemeint ist. Wir meinen es immer liebevoll und nehmen Kritik nie
persönlich.
Hast Du Zeit Bücher Deiner Kollegen zu lesen und wenn ja,
sind es nur Bücher im Krimibereich?
Ich hätte gerne viel mehr Zeit, Krimis von anderen Leuten zu
lesen. Ich bewundere meine Kolleginnen und Kollegen oft und gerne ob ihres
Schreibstils, ihrer entzückenden Figuren oder einfach ob eines saugeilen Plots.
Ich mag die einfachen, schnörkellosen und doch schönen Sätze. Ich ärgere mich
liebevoll, wenn ich sage: Verdammt, supergeile Idee, die jetzt weg ist für
mich. Ich mag es, wenn Horst Eckert Realität mit Fiktion mischt und sich
spannenden Themen wie RAF und NSU widmet. Stickel und die Krimi-Cops liebe ich
für ihre witzigen Figuren und den Humor in ihren Romanen. Stickels
skurril-witzige Kurzkrimis sind der Eber, äh der Hammer. Simon Beckett danke
ich für den Anti-Helden Dr. David Hunter. Nach außen ruhig, besonnen und
professionell, ist Hunter innerlich zerrissen von Selbstzweifel, Ängsten und
einem mangelnden Selbstbewusstsein. Frau Doktor entführt mich mit ihrem El
Gustario (suuuuuper Spitzname, leider nicht von mir) nach Mallorca und
verschafft mir mediterranes Urlaubs-Feeling.
Wenn ich zum Vergnügen lese, lese ich fast ausschließlich
Krimis. Manchmal lese ich, um mich weiterzubilden. So greife ich beispielsweise
gerne zu Western-Heften, wenn ich im eigenen Krimi eine Schlägerei oder
Schießerei beschreiben will. Und wenn geküsst werden muss, ja gut, dann lese
ich auch mal einen Liebesroman quer an.
Hast Du als Kind gerne gelesen und wenn ja, an welche Bücher erinnerst Du Dich?
Nein. An keins.
Fast müsste ich es so stehen lassen. Ich habe als Kind nicht
gerne gelesen, ABER ich habe mit Playmobil sehr kreativ gespielt – Western, ich
hatte Cowboys und Indianer und Pferde und Ritter hatte ich viele. Und Piraten.
Ich durfte sogar das Piratenschiff mein Eigen nennen. Mutter hatte es sich
mühsam von der kargen Witwenrente und vom Munde abgespart. Wir hatten ja
nichts. Wie gern würde ich sagen können: Meine Playmobil Piratengeschichten
wurden später als „Fluch der Karibik“ verfilmt. Hieße ich Forrest Gump, so
könnte es fast stimmen. By the Way: Wie gerne hätte ich Forrest Gump
geschrieben. Mit Tränen in den Augen verneige ich mich vor Winston Groom für dieses fabelhafte Werk. Will sagen: Die
Wurzeln meiner Kreativität und Schreibleidenschaft liegen eher im frühen Spiel
mit bunten Plastikfigürchen als in Kinderbüchern. Ich hatte es da mehr mit den
Verfilmungen. Auch Karl May las ich nie, die Filme und die Schallplatten liebte
ich. Ich war als Kind gut zufrieden.
Nun zur „wenn-ja“-Frage: Natürlich erinnere ich mich an
Bücher, die ich als Kind lesen musste. In der Schule, im Deutsch- und
Englischunterricht. So erinnere ich mich gern an The Catcher in the Rye
von Jerome David Salinger, welches ich im Original, also in englischer Sprache,
gelesen habe. Ich habe gute Erinnerung an jenes Werk, welches mir eine 2 in der
dazu gehörigen Klassenarbeit einbrachte. Ebenso las ich in englischer Sprache A
Streetcar Named Desire, ein Drama des amerikanischen Autors Tennessee
Williams. Dazugehörige Englischarbeit: Eins minus. Im Literaturunterricht in
Klasse 11 oder 12 habe ich ein alternatives Ende dafür geschrieben. Auf
Englisch natürlich. Note 1. Ich will nicht prahlen, sondern sagen, dass ich als
Kind schon Lust an Literatur hatte. Nur nicht an Brecht und Kafka. Mit denen
kannse mich jagen, hömma.
Wenn Du in die Vergangenheit reisen könntest, welchen
verstorbenen Autor würdest Du gerne mal besuchen und warum?
Brecht und Kafka. Ich würde sie fragen wollen: Was wolltet
ihr als Autor damit sagen?
An dieser Stelle frage ich meine Interviewpartner gerne, was
ihnen zu Namen oder Begriffen einfällt, so nun auch Dich:
Wem die Stunde schlägt
Hemingway. Von ihm las ich aber nur Der alte Mann und das
Meer. Daumen hoch dafür.
Die Leiden des jungen Werther
Fack Ju ..., äh ist von Goethe. Pflichtlektüre in der Schule
damals. Nicht gelesen, wir konnten wählen. Für Effi Briest / Fontane
entschieden. Bereue ich heute noch.
Emil und die Detektive
„Junge, lies doch wenigstens mal was von Erich Kästner“,
waren damals die Worte meiner mittlerweile verstorbenen Mutter, als sie mich
ans Lesen kriegen wollte. Sorry, Mama, bis heute nichts von Kästner gelesen.
Hab dich lieb.
Winnetou
Jeden Film gesehen, und zwar im Alter von 6 bis 49.
Wie immer sind mir viele Fragen eingefallen und hinterher
denke ich, dies oder das hätte ich noch fragen können. Deshalb gebe ich Dir
hier die Gelegenheit zu schreiben, was Du uns Lesern immer schon mal mitteilen
wolltest:
Liebe Leserinnen und Leser!
Ja, Sie sind gemeint. Und Sie, die einen Fitzek in den
Händen halten. Und der Herr hier vorne, der einen „Rosamunde-Pilcher“-Roman
versteckt hält. Tun Sie sich keinen Zwang an, es gibt keine guten oder
schlechten Bücher, es gibt nur Geschmäcker. Jedes Buch ist es wert, gelesen zu
werden. Kein Autor tat sich leicht beim Schreiben. Glauben Sie mir, ich weiß,
wo von ich rede. Krönen Sie unser Tun, in dem Sie unsere Bücher lesen. Und wenn
es Ihnen gefallen hat, dann schreiben Sie bitte eine Rezension und empfehlen
Sie es im Freundeskreis weiter. Die Mundpropaganda ist so wichtig wie die Luft
zum Atmen. Sollte Ihnen mal ein Buch nicht gefallen haben, so verlieren Sie
kein Wort darüber. Greifen Sie schnell zum Nächsten. Es sei denn, Sie sind
Denis Scheck, also der Denis Scheck. Dann verschmähen Sie bitte unsere
Bücher werbewirksam im Fernsehen. Stellen Sie kurz heraus, worin Ihrer Meinung
nach der nicht auszuhaltende Schund besteht und feuern unsere Bücher gut
sichtbar, mit dem Cover nach oben, in die Tonne. Bitte nehmen Sie auch einmal
„Ministermord“ für die Rubrik Tonne zur Hand. Es täte den Verkaufszahlen
wirklich gut. Alle anderen Leserinnen und Leser bitte ich im Namen aller
Autoren, insbesondere den noch nicht so bekannten und jenen, die zur Kaste der
Unreinen gehören, weil in Kleinverlagen veröffentlicht: Empfehlen Sie uns
weiter! Aber machen Sie aus unseren Büchern keinen Lesezirkel im
12-Parteien-Hochhaus. Investieren Sie bitte 10-12 Euro für ein eigenes
Taschenbuch eines (vorübergehend) unbekannten Debütautors, welches Ihnen von
Ihrer Nachbarin oder Ihrem Nachbarn rübergereicht wird. Nur so werden wir
sichtbar im Heer der vom Buchkartell geschaffenen Bestsellerautoren. Suchen Sie
unsere Namen im Internet oder geben Sie sie direkt bei Facebook und Twitter in
die Suchleiste ein. Sie werden uns finden, todsicher. Folgen und Liken Sie uns
und treffen Sie uns eines Tages auf einer Lesung in Ihrer Nähe. Bringen Sie
Ihre Bücher von uns mit, wir werden sie gerne signieren. Sagen Sie uns Ihre
aufrichtige Meinung von Angesicht zu Angesicht; Gutes laut, Schlechtes leise.
Und trinken Sie mit uns danach ein lecker Pilsken oder ein Softgetränk Ihrer
Wahl. Vielen Dank, dass Sie bis hier hin gelesen haben! Tauchen Sie jetzt gerne
wieder in die Welt ab, die eine Kollegin oder ein Kollege von mir für Sie
geschaffen hat.
Liebe Andreas, das waren tolle Antworten auf meine Fragen und ich möchte mich vielmals dafür bedanken.
hinweisen, das ich gelesen und rezensiert habe.
Rezension: Klick hier
noch mehr Hinweise zu den Büchern befinden sich auf Autorenseiten von
edition oberkassel: klick hier
Amazon: klick hier
Kriminalinski: klick hier