Mittwoch, 30. Januar 2019

Autoreninterview - Andreas Kaminski


Lieber Andreas,

ich freue mich, dass Du Dich meinen Fragen stellen möchtest. Aber zunächst kommen ein paar Zeilen zu dem Thema, wie habe ich den Autor Kriminalinski kennen gelernt.
In Düsseldorf gibt es den  Verlag edition Oberkassel, zu dem Verleger habe ich vor einiger Zeit mal Kontakt aufgenommen und seitdem schaue ich regelmäßig welche Neuerscheinungen es dort gibt. Als Krimifan wurde ich auf das Buch „Ministermord“ aufmerksam, neugierig geworden, wollte ich es lesen und habe es dann natürlich auch rezensiert. Das war im März 2018. Kurze Zeit später wollte ich zu einer Lesung von Brigitte Lamberts und dort wurdest Du mir angekündigt. Es war ein sehr unterhaltsamer Abend, denn Du warst der Lesepartner von Brigitte Lamberts und Sabine Giesen. Hervorragend! Später war ich bei einer Lesung in Jacques Weindepot, dort hast Du mit verschiedenen Autoren Kurzgeschichten aus einer Anthologie gelesen. Ich gehe mal davon aus, dass wir uns noch öfter treffen werden. Aber es ist schon interessant, wie sich alles so entwickelt.





Vor der Lesung im April 2018, 
drei Autoren auf einen Schlag 😉


Sabine Giesen, Brigitte Lamberts 
und Andreas Kaminski





Wie immer wird meine Vorrede lang, aber das ist bei mir nun mal so 😉
Jetzt starte ich aber endlich


Lieber Andreas,
auf Deiner Homepage habe ich gelesen, dass Dein wahrer Name Andreas Kaminski ist, wie bist Du auf die Idee gekommen, den Namen abzuändern in Kriminalinski?

Liebe Ulla, zunächst möchte ich dir für die Einladung zu diesem Interview danken! Unbekannte Autoren, die in Kleinverlagen veröffentlichen, freuen sich wie Bolle über jede Art der Sichtbarkeit. Dafür danke ich dir im Namen vieler solcher Autoren!

Dann kurz zu deiner wunderbaren Einleitung: Auch ich freue mich, dass wir uns persönlich kennengelernt haben. Und: Du bist auf einen der besten Verlage der ganzen Welt gestoßen! Zwei großartige und liebe Kolleginnen von mir aus jenem Verlag hast du bereits erwähnt. Ich erinnere mich noch gut an die von dir angesprochenen Veranstaltungen. Tolle Abende mit tollen Menschen und einer Menge Spaß!

Jetzt, endlich, zu deiner Frage. Übrigens: Ich wäre dir überhaupt nicht böse, wenn du von meinen Antworten Unwesentliches einfach weg schneidest. Ich verliere mich gern in ausufernde Weitausholungen, ich kreiere auch gern neue Begriffe, und verwende sie, bevor der Duden sie aufgenommen hat, aber so bin ich. Der kurze Dank am Anfang und das Eingehen auf deine Einleitung waren mir wichtig. Du darfst das gerne anders sehen und ob meiner Vorrede zur Schere greifen.

Also, wie schon erwähnt, zu deiner Frage, die da lautete (Moment, ich scrolle kurz hoch; ach ja, bin wieder drin): Genau so ist es.
Ich merke selbst, die Antwort ist nicht befriedigend, daher werde ich dir, und jetzt, versprochen, Scherz bei Seite, ein Geheimnis verraten. Ich verrate dir nicht nur, wie ich auf die Idee gekommen bin, mir ein Pseudonym zuzulegen, ich verrate dir sogar, wie ich auf selbiges kam. Das ist nämlich die weit aus witzigere Geschichte! Also, zunächst überlegte ich, wie vielleicht viele Kolleginnen und Kollegen am Anfang: richtiger Name oder Pseudonym? Ich entschied mich für letzteres, weil ich hoffte, allein durch den Namen „Kriminalinski“ in der Flut der vielen Tausend Krimis pro Jahr aufzufallen. So, und jetzt zu dem angekündigten Geheimnis. Dafür müsste ich etwas ausholen. Ich mache es kurz, versprochen!

Es war zu jener Zeit, als ich noch nicht schrieb. Ich war gerade zu einer großen, internationalen Firma gewechselt. Darüber hinaus hatte ich Kontakt zu einem italienischen Krawattenfabrikanten, für den ich unter der Hand, oder besser: aus dem Kofferraum meines Dienstwagens heraus, Marken-Krawatten an meine männlichen Kollegen verkaufte. Immer freitags, 13 Uhr, Parkplatz Nebeneingang. Zu erst kamen die unmittelbaren Kollegen meiner Fachabteilung, später kam die ganze Firma bis hoch zum Vertriebsleiter an meinen mobilen Verkaufsstand (Dienstwagen!). Auch Frauen, für ihre Männer zu Hause. Einer meiner Kollegen war so nett, für mich Werbung zu machen. Ich selbst traute es mich nicht, war ja noch in der Probezeit. Er schrieb jeden Freitag Vormittag folgende E-Mail: „Krawattinski, 13 Uhr, Parkplatz Nebeneingang.“ Er meinte, er würde meinen richtigen Namen raushalten. Ich sollte mir mal keine Sorgen machen wegen der Probezeit. Was soll ich sagen? Das Geschäft brummte. Ich wurde in der Firma nur noch Krawattinski genannt und war schlagartig bekannt. Meinen richtigen Namen kannten nur die Kollegen meiner Abteilung. Don Krawattino aus Italien küsste mir die Füße, er kam mit der Fertigung unlizenzierter Marken-Krawatten gar nicht hinterher. So kam ich schließlich auf die Idee, mir als Krimi-Autor das Pseudonym „Kriminalinski“ zu verpassen; der Name ist Programm. Todsicher.



Auf Deiner Homepage habe ich auch gelesen, dass Du ein Schreibseminar besucht hast und danach zum Schreibtischtäter wurdest. Was war denn der Grund dieses Seminar zu besuchen?

Ach Ulla, wieder so eine Frage zum weit Ausholen und zum Schmunzeln. Solche Fragen liebe ich ja, wirklich. Jetzt kommt etwas, das du schon kennst: Es war zu jener Zeit, als ich noch nicht schrieb. Ich war gerade (Achtung, überraschende Wendung! Plottwist!) zu einer kleinen Start-up Firma gewechselt. Böse Zungen könnten behaupten, das hätte mit freitags, 13 Uhr, Parkplatz Nebeneingang, zu tun. Stimmt aber nicht. Dazwischen lagen ein paar Jahre. Ich muss es wissen, ich war dabei. Die bösen Zungen nicht. Jedenfalls, damit komme ich zurück zu deiner Frage, war es einer jener Freitage (okay, das ist jetzt Zufall), dass ich in meinem Homeoffice saß und keinen Bock auf Arbeit hatte. Im wahrsten Sinne des Wortes musste mich die Muse geküsst haben, denn ich verspürte plötzlich den unbändigen Drang zum Fabulieren. Ich begann eine fiktive Geschichte zu schreiben, die mit den Ereignissen des jungen Start-up Unternehmens, welches ich als freier Mitarbeiter unterstützte, zu tun hatte. Wir waren zu dritt und ungefähr ein halbes Jahr mit unserer Dienstleistung auf dem Markt. Hatten mit weiteren freien Mitarbeitern, mit Geräteherstellern, mit Universitäten, mit unserem Vermieter und mit vielen anderen Menschen und Dingen zu tun gehabt. Einiges lief gut, anderes ging schief, das wichtigste aber war: Wir hatten Spaß an unserer Arbeit, verstanden uns gut und haben viel gelacht. Also schrieb ich in einem Moment der Arbeitsunlust, beseelt vom Kuss der Muse, an einem Freitag Vormittag eine E-Mail an meine beiden Partner, die in unserem Büro weilten, während ich vom Homeoffice arbeitete. Oder es hätte tun sollen. Ich schrieb, per E-Mail, den ersten Teil eines Fortsetzungs-Tagebuches. Ich verarbeitete darin Geschehnisse aus unserem betrieblichen Alltag in Form einer „Star-Wars-und-Raumschiff-Enterprise“-Persiflage. Diese geistreiche Verspottung durch übertreibende Nachahmung kam so gut an bei meinen Kollegen, dass sie lachend das Wochenende einläuteten. Natürlich verlangten sie nach mehr und ich lieferte, alle paar Tage einen neuen Tagebucheintrag zu „Nievenheim Wars“. Unser Büro befand sich zu jener Zeit in Neuss-Nievenheim auf dem Hof von Bauer Spix, der, und so schließt sich ein anderer, lustiger Kreis, Namensgeber für das Mordopfer im zweiten „Pommes-Willen“-Krimi geworden ist, der im Herbst 2019 im Verlag edition oberkassel erscheint.

So, liebe Ulla, das war das Ausholen. Ich komme jetzt zu dem Grund, weshalb ich ein Schreibseminar besucht habe. Einer der beiden Kollegen, nämlich der, der für PR zuständig war und über eine sehr gute journalistische Schreibe verfügte, meinte, ich hätte so etwas wie Talent zum Geschichten erzählen bzw. schreiben. Er riet mir, eine Schreibwerkstatt zu besuchen und mich näher mit dem Kreativen Schreiben zu beschäftigen. Das tat ich dann und zwar in Düsseldorf, an der edition oberkassel Akademie von Detlef Knut, meinem späteren Verleger.



Was war zuerst da, die Idee Krimis zu schreiben oder hat sich das durch Deinen besonderen Namen ergeben.

Zuerst war die Schreibwerkstatt mit Detlef Knut da. Ein Wochenende voller inspirierenden Inputs. Ich wusste, ich wollte eher lustig schreiben als ernst. Nachvollziehbar, denn für meine „Star-Wars“-Persiflage war ich ja gelobt worden und Spaß hatte es beim Schreiben auch gemacht. Ich denke, weil an dem Wochenende ein paar Mal das Wort Krimi fiel, kam ich drauf, Krimis schreiben zu wollen. Denn ich war schon damals großer TV-Tatort Fan, hatte aber noch keinen einzigen Krimi gelesen. Krimi war irgendwie das einzige Genre, zu dem ich sofort eine Affinität hatte. Detlef Knut riet mir, viele Krimis zu lesen („Wer schreiben will, muss auch lesen“, waren seine Worte). Durch ihn bin ich dann auf die humorigen Regionalkrimis von Klaus Stickelbroeck und den Krimi-Cops aufmerksam geworden. Und nach der ersten Stickel-Lesung wusste ich: Das will ich auch! Ich will humorige Krimis schreiben und sie bei einer Lesung dem Publikum präsentieren. Von da an war ich Feuer und Flamme für´s Krimisschreiben.



Du hast anfangs Kurzgeschichten für Anthologien geschrieben, wann kam die Idee ein „richtiges“ Buch zu schreiben?

Der Wunsch, einen Kriminalroman zu schreiben, war natürlich da. Siehe vorherige Frage/Antwort. Durch Stickel war ich infiziert. Die Kurzkrimis waren Projekt zum Üben. Aber nicht nur, ich lese gerne Kurzkrimis, die hab ich schnell durch. An einem Kriminalroman mit 250 oder 300 Seiten sitze bzw. liege ich gut und gerne ein paar Tage. Beim Schreiben von Kurzkrimis kannst du vieles ausprobieren – du schreibst beispielsweise mal in der Vergangenheitsform und mal in der Gegenwart. Mal aus Sicht des Ermittlers oder mal aus Sicht des Mörders. Mal etwas Lustiges, mal etwas Ernstes. Und auch hier kommst du schnell zum gewünschten Ende. Und irgendwann sagst du dir: So, und jetzt der Roman! Dann legst du los.

Aber die Frage war ja, wann kam die Idee … Die kam noch in Neuss, also bevor ich nach Cloppenburg zog. Ich hatte Titel und Idee, beides kam irgendwie gleichzeitig. Zack, die Muse. Es war aber noch nicht der richtige Zeitpunkt. Mein Leben gestaltete sich seinerzeit etwas kompliziert. Das lustige Start-up Unternehmen hatte es leider nicht geschafft, wir gingen pleite und jeder seiner eigenen Wege. Zu dieser Zeit plagten mich große Existenzsorgen, zum Schreiben des Romans fehlten mir Mut und Ausdauer. Kurzkrimis waren meine Therapie. Erst als ich in Cloppenburg war und meine Existenz gesichert hatte, hatte ich die innere Kraft, mich an den Kriminalroman zu wagen.



Du hast ja noch einen Brotjob, deshalb die Frage, wie lange schreibst Du an einem Buch?

Der Brotjob ist meine Existenzsicherung. Ich arbeite nur in Teilzeit, muss also mit wenig Geld zurecht kommen. Dafür habe ich allerdings eine ganze Hälfte eines Tages zum Schreiben zur Verfügung. So hatte ich es mir in der Theorie zumindest gedacht. Aufgrund zahlreicher Überstunden komme ich nicht dazu, meinen Plan 1:1 in die Praxis umzusetzen. Aber irgendwie habe ich es bei „Ministermord“ geschafft, den Abgabetermin einzuhalten. Ich glaube, ich habe an meinem Debütroman 5 Monate geschrieben. Die Idee und damit den Plot trug ich aber einige Jahre mit mir herum. Beim aktuellen Buch sieht es ähnlich aus. Zwischen beiden Büchern liegen exakt 2 Jahre. Die Idee zum Folgeroman kam schnell, aber die Umstände verhinderten einen früheren Schreib-Beginn.



Wie sieht Dein Schreiballtag aus, abends nach Feierabend oder an den Wochenenden oder zwischendurch.

Wie gesagt, Theorie und Praxis … In der Theorie gehe ich an den Werktagen vormittags zur Arbeit, komme mittags nach Hause, mache eine aktive Mittagspause (Hunderunde) und setze mich dann an mein Manuskript. Je nach Lust, Laune und Flow schreibe ich bis (weit) in die Abendstunden. Das ist wie ein zweiter Job für mich. Das Wochenende soll der Regeneration dienen. Haushalt ist ja auch zu machen (Samstag), und anderleuts Bücher lesen möchte ich auch (Sonntag).



Kann es passieren, dass Dir während des Schreibens neue Ideen kommen?

Geschlossene Frage, kurze Antwort: ja.



Wie findest Du die Ideen oder finden sie Dich?

Zack, die Muse. Sie mich, hätte ich jetzt gerne so stehen lassen, kann ich aber nicht. Die vorherige Frage war ja schon knäppstens beantwortet. Beim „Ministermord“ war es so, dass ich mir meine Idee über einen längeren Zeitraum entwickelt habe. Es fing damit an, dass ich keinen Kripo-Ermittler als Protagonist haben wollte. Aber auch keinen Privatschnüffler. Mit gefiel die Figur eines Dorfsheriffs von Anfang an sehr gut. Jenes geradlinigen, die Uniform stets in Ehren tragenden und oft einsamen Helden, dem ich in TV-Western so gerne meine Aufmerksamkeit schenkte. Dann hatte ich plötzlich den Titel im Kopf. „Ministermord“ und dachte, heißa, ein schmuckes Wortspiel, mit dem sich plotmäßig doch etwas anfangen ließ. Überraschende Wendung, war das Stichwort, etwas, das ich in der Schreibwerkstatt zu schätzen gelernt hatte. Und hier steckt der Plottwist quasi im Titel. Wird der Minister ermordet (so wie bei Königsmord) oder ist er gar der Täter, wenn ich den Titel verkürzt für Mord des Ministers lese? Fragen über Fragen, die nach Antworten verlangen. Die Summe dieser Antworten nenne ich Romanidee. Die meisten Antworten kamen mir noch in den Rheinwiesen bei Neuss-Uedesheim, meinem letzten Wohnort vor Cloppenburg.



Dein Ermittler hat den witzigen Spitznamen „Pommes“ wie kamst Du denn auf diese Idee? Ohne frech werden zu wollen, drängt sich mir aber trotzdem die Frage auf, steckt etwas von Dir in Pommes?  😉

Gemach, gemach, liebe Ulla, eines nach dem anderen. Aber keine Angst, ich hole nicht mehr so weit aus. Versprochen. Nur so viel: Als der liebe Gott jemanden suchte, dem er das Talent zum Entwickeln eigenwilliger Spitznamen geben konnte, stand ich zufällig, mit Händen in den Taschen, ich will nicht sagen „faul“, herum. Soll heißen, ich statte meine Mitmenschen gerne mit, und darauf lege ich Wert, netten Spitznamen aus. Und weil mir mein Protagonist von Anfang an sympathisch war, stand ihm praktisch ein Spitzname zu. Allerdings muss ich sagen, der Name „Pommes“ war etwas abgekupfert. Ich hatte meiner Figur, dem Dorfpolizisten Hendrik Willen, ein Handball-Hobby angedacht. Schon als Kind spielte er Handball, aber auch jetzt noch, in der Altherren-Mannschaft seines Vereins. Auch hatte ich ihn figürlich für mich klar: so groß wie ich etwa, aber sportlich-schlank, eher schmächtig als kräftig, blonde Haare, norddeutscher Küsten-Typ eben. Dann schaute ich Handball-WM (oder EM?) und sah Pascal Hens, Spitzname „Pommes“ für Deutschland spielen. Größe: 2,03 Meter, blond gefärbtes Haar, heller Hauttyp – man kann auch sagen: lang und schlaksig wie ne Fritte. „Pommes“ habe ich mir erlaubt zu übernehmen, aber nur eine Halbe oder Dreiviertel, von der Körpergröße her.

Der Vollständigkeit halber müsste ich hier auch erklären, warum Willen Willen mit Nachnamen heißt. Wie gesagt, streiche, was du für über hältst! Ab hier müsstest du die Schere ansetzen ...
Dorfsheriff ja u.a. deshalb, weil der mit Mord nichts zu tun hat. Das machen die Kripo-Kollegen. Willens Motto lautet daher auch: Alles außer Mord. Am Tatort hält er den Kollegen von der Kripo brav das rot-weiße Flatterband hoch. Denkste! Nicht, wenn ich Willens Autor bin. Ich wollte (und will), dass er, wenn auch widerwillig, und Pommes wird nicht müde, das zu betonen, in Mordaufklärung verwickelt wird. Da passt der Name Willen doch gut: Entgegen (oder auch: wider) seines eigenen Willen lässt er sich auf Mord ein. Und wenn am Ende des Romans seine Freunde fragen: „Wer hat den Mörder gefasst?“ freut Willen sich über ihre Antwort: „Wieder Willen!“. Daher: Sprechende Namen find ich gut!

Zum letzten Teil deiner Frage, ob etwas von mir in meiner Hauptfigur stecke. Ich möchte sagen, eher anders herum. Ich bewundere Pommes (übrigens: ich nenne ihn in meinen Romanen nie so, ich nenne ihn immer Willen oder der Dorfpolizist; andere sagen Pommes zu ihm; als Autor muss man seine Protas nicht unbedingt duzen) für seine Geradlinigkeit und seinen Mut zu moralischen Entscheidungen. In „Ministermord“ muss er sich zwischen Dienstvorschrift und Freundschaft entscheiden, ein anderes mal muss er Gnade vor Recht walten lassen. Er ist damit sehr souverän umgegangen. Ich selbst hätte da mehr Probleme mit. Gut, wir haben denselben Musikgeschmack. Rock und Pop aus den 80-er Jahren, Neue Deutsche Welle – Nena, Trio, Da Da Da und so. Und: Willen ist wie ich Löwe. Aber auch nur, weil es die Personifizierung einfacher macht. Ich weiß, wie Löwen ticken, also ist Willen auch Löwe. So weiß ich, wie er in bestimmten Situationen reagiert.



Hast Du noch weitere Folgen mit Deinem Ermittler geplant?

Im Moment schreibe ich am zweiten „Pommes-Willen“-Krimi. Da geht’s um den Tod eines Landwirts. Durch Zufall bin ich auf einen wahren Fall gestoßen, der mich veranlasst hat, ihn aufzugreifen, zu modellieren und das Ganze nach Cloppenburg zu verorten. Ein schöner, bestialischer Mordfall, nichts für schwache Nerven.

Krimi Nr. 3 ist auch schon geplottet, das Exposé geht in Kürze zum Verlag. Hier hat es Pommes Willen mit dem bösen Wolf zu tun. Großes Thema (nicht nur) bei uns in Südoldenburg. Der Wolf ist zurück, oh Schreck, er frisst auch kleine Kinder und Schafe. Pommes gerät dabei zwischen die Fronten von Wolfs-Gegnern und jene, die mit der blutrünstigen Bestie am liebsten kuscheln würden.



Wie ist das mit den Kurzgeschichten, fliegen Dir dort die Ideen schnell zu? Wenn jemand eine Anthologie zusammenstellt, werden ja auch immer gewisse Vorgaben gemacht und obwohl es ja kein ganzes Buch ist, muss einem zu dem Thema auch etwas einfallen.

Keineswegs fliegen mir Idee für Kurzgeschichten zu. Vorletztes Jahr wurde ich beispielsweise zu einer historischen Anthologie eingeladen. Zunächst freute ich mich über die Einladung, merkte aber schnell, dass mich das historische Thema überhaupt nicht packte. Da war nix mit zack, die Muse. So sagte ich wieder ab, denn Schrott schreibe ich nicht, da ist mir meine Zeit zu kostbar.

Selbes Jahr, anderes Thema, wieder eine Anthologie. Und zack, die Muse. Lecker Küssken. Und da war sie, die Idee. Über Nacht war der Kurzkrimi fertig geschrieben. So kann´s auch gehen, es ist nie gleich und oft verschieden.



Wenn ich das so richtig mitbekomme, arbeitest Du viel mit Autorenkollegen und Kolleginnen zusammen, was bringt Dir das als Autor?

Das ist wohl wahr. Oft wird gesagt, als Schriftsteller bist du einsam, denn du sitzt alleine, bei Kerzenschein bis tief in die Nacht an deinen Texten und kämpfst mit dir selbst um die richtigen Worte. Das kann so sein, muss es aber nicht. Der Mensch ist ein Herdentier, der Autor ist ein Mensch ergo sind alle Autoren Hammel, äh Herdentiere. Lass dir nix anderes erzählen! Es gibt unzählige Autorengruppen, in denen sich Autoren regelmäßig treffen und sich gegenseitig ihre Texte um die Ohren hauen. Ich habe dafür Frau Doktor und Frau Doktor hat mich. Gemeint ist meine liebe, hochgeschätzte, oft kopierte und nie erreichte Freundin Dr. Brigitte Lamberts, die du ja kennst. Wir schicken uns unsere Texte zu, meist einzelne Kapitel, und geben uns Feedback. Das ist wie ein Vorlektorat, bei dem wir auf Inhalt, Logik und Spannung achten. Hin und wieder auch auf Schreibstil. Wir telefonieren oft dazu und besprechen den Plot und die Handlungsalternativen unserer Figuren. Wir schreiben alleine, sind aber nicht einsam. Zudem werden unsere Texte durch die Zusammenarbeit qualitativ besser.


Dr. Brigitte Lamberts und
Andreas Kaminski


Du nimmst gerne an Lesungen teil, wie wichtig ist Dir der Kontakt zu Lesern?

Ich liebe Lesungen, nur dafür schreibe ich! Ich mag es, Menschen zu unterhalten. Deshalb schreibe ich Krimis mit Situationskomik und Wortwitzen und nicht blutrünstige Thriller. Ich will mit meinen Lesern zusammen lachen. Mag sein, dass andere sich gerne mit einander gruseln, meins ist das Lachen und der Frohsinn. Ich frag mich gerade, was bei Lesungen der Genres Romantic Thrill, Gay Romance oder Liebesromane abgeht. Kuschelt man da mit dem Publikum? Poetisches Gang Bang; Entschuldigung, ich schweife ab. Nach der Lesung Bücher signieren, mit dem einen oder anderen in ein Gespräch vertiefen, lecker Pilsken zum Abschluss – so muss Lesung für mich sein.



Wer darf Dein Buch zuerst lesen?

Die Frau Doktor natürlich, also et Brigittschen. Die muss vorab lesen, vorher gebe ich das Manuskript nicht ins Lektorat. Ihre Meinung ist mir sehr wichtig, sie darf ihre Finger in die Wunde legen und Sätze sagen, wie: „Das geht besser, etwas lustlos geschrieben“ oder „Liest sich runtergerotzt“. Ja, wir sind beide Freunde vom Tacheles reden, da wissen wir, was gemeint ist. Wir meinen es immer liebevoll und nehmen Kritik nie persönlich.



Hast Du Zeit Bücher Deiner Kollegen zu lesen und wenn ja, sind es nur Bücher im Krimibereich?

Ich hätte gerne viel mehr Zeit, Krimis von anderen Leuten zu lesen. Ich bewundere meine Kolleginnen und Kollegen oft und gerne ob ihres Schreibstils, ihrer entzückenden Figuren oder einfach ob eines saugeilen Plots. Ich mag die einfachen, schnörkellosen und doch schönen Sätze. Ich ärgere mich liebevoll, wenn ich sage: Verdammt, supergeile Idee, die jetzt weg ist für mich. Ich mag es, wenn Horst Eckert Realität mit Fiktion mischt und sich spannenden Themen wie RAF und NSU widmet. Stickel und die Krimi-Cops liebe ich für ihre witzigen Figuren und den Humor in ihren Romanen. Stickels skurril-witzige Kurzkrimis sind der Eber, äh der Hammer. Simon Beckett danke ich für den Anti-Helden Dr. David Hunter. Nach außen ruhig, besonnen und professionell, ist Hunter innerlich zerrissen von Selbstzweifel, Ängsten und einem mangelnden Selbstbewusstsein. Frau Doktor entführt mich mit ihrem El Gustario (suuuuuper Spitzname, leider nicht von mir) nach Mallorca und verschafft mir mediterranes Urlaubs-Feeling.

Wenn ich zum Vergnügen lese, lese ich fast ausschließlich Krimis. Manchmal lese ich, um mich weiterzubilden. So greife ich beispielsweise gerne zu Western-Heften, wenn ich im eigenen Krimi eine Schlägerei oder Schießerei beschreiben will. Und wenn geküsst werden muss, ja gut, dann lese ich auch mal einen Liebesroman quer an.



Hast Du als Kind gerne gelesen und wenn ja,  an welche Bücher erinnerst Du Dich?

Nein. An keins.

Fast müsste ich es so stehen lassen. Ich habe als Kind nicht gerne gelesen, ABER ich habe mit Playmobil sehr kreativ gespielt – Western, ich hatte Cowboys und Indianer und Pferde und Ritter hatte ich viele. Und Piraten. Ich durfte sogar das Piratenschiff mein Eigen nennen. Mutter hatte es sich mühsam von der kargen Witwenrente und vom Munde abgespart. Wir hatten ja nichts. Wie gern würde ich sagen können: Meine Playmobil Piratengeschichten wurden später als „Fluch der Karibik“ verfilmt. Hieße ich Forrest Gump, so könnte es fast stimmen. By the Way: Wie gerne hätte ich Forrest Gump geschrieben. Mit Tränen in den Augen verneige ich mich vor Winston Groom für dieses fabelhafte Werk. Will sagen: Die Wurzeln meiner Kreativität und Schreibleidenschaft liegen eher im frühen Spiel mit bunten Plastikfigürchen als in Kinderbüchern. Ich hatte es da mehr mit den Verfilmungen. Auch Karl May las ich nie, die Filme und die Schallplatten liebte ich. Ich war als Kind gut zufrieden.

Nun zur „wenn-ja“-Frage: Natürlich erinnere ich mich an Bücher, die ich als Kind lesen musste. In der Schule, im Deutsch- und Englischunterricht. So erinnere ich mich gern an The Catcher in the Rye von Jerome David Salinger, welches ich im Original, also in englischer Sprache, gelesen habe. Ich habe gute Erinnerung an jenes Werk, welches mir eine 2 in der dazu gehörigen Klassenarbeit einbrachte. Ebenso las ich in englischer Sprache A Streetcar Named Desire, ein Drama des amerikanischen Autors Tennessee Williams. Dazugehörige Englischarbeit: Eins minus. Im Literaturunterricht in Klasse 11 oder 12 habe ich ein alternatives Ende dafür geschrieben. Auf Englisch natürlich. Note 1. Ich will nicht prahlen, sondern sagen, dass ich als Kind schon Lust an Literatur hatte. Nur nicht an Brecht und Kafka. Mit denen kannse mich jagen, hömma.



Wenn Du in die Vergangenheit reisen könntest, welchen verstorbenen Autor würdest Du gerne mal besuchen und warum?

Brecht und Kafka. Ich würde sie fragen wollen: Was wolltet ihr als Autor damit sagen?



An dieser Stelle frage ich meine Interviewpartner gerne, was ihnen zu Namen oder Begriffen einfällt, so nun auch Dich:


Wem die Stunde schlägt
Hemingway. Von ihm las ich aber nur Der alte Mann und das Meer. Daumen hoch dafür.

Die Leiden des jungen Werther
Fack Ju ..., äh ist von Goethe. Pflichtlektüre in der Schule damals. Nicht gelesen, wir konnten wählen. Für Effi Briest / Fontane entschieden. Bereue ich heute noch.

Emil und die Detektive
„Junge, lies doch wenigstens mal was von Erich Kästner“, waren damals die Worte meiner mittlerweile verstorbenen Mutter, als sie mich ans Lesen kriegen wollte. Sorry, Mama, bis heute nichts von Kästner gelesen. Hab dich lieb.

Winnetou
Jeden Film gesehen, und zwar im Alter von 6 bis 49.


Wie immer sind mir viele Fragen eingefallen und hinterher denke ich, dies oder das hätte ich noch fragen können. Deshalb gebe ich Dir hier die Gelegenheit zu schreiben, was Du uns Lesern immer schon mal mitteilen wolltest:

Liebe Leserinnen und Leser!

Ja, Sie sind gemeint. Und Sie, die einen Fitzek in den Händen halten. Und der Herr hier vorne, der einen „Rosamunde-Pilcher“-Roman versteckt hält. Tun Sie sich keinen Zwang an, es gibt keine guten oder schlechten Bücher, es gibt nur Geschmäcker. Jedes Buch ist es wert, gelesen zu werden. Kein Autor tat sich leicht beim Schreiben. Glauben Sie mir, ich weiß, wo von ich rede. Krönen Sie unser Tun, in dem Sie unsere Bücher lesen. Und wenn es Ihnen gefallen hat, dann schreiben Sie bitte eine Rezension und empfehlen Sie es im Freundeskreis weiter. Die Mundpropaganda ist so wichtig wie die Luft zum Atmen. Sollte Ihnen mal ein Buch nicht gefallen haben, so verlieren Sie kein Wort darüber. Greifen Sie schnell zum Nächsten. Es sei denn, Sie sind Denis Scheck, also der Denis Scheck. Dann verschmähen Sie bitte unsere Bücher werbewirksam im Fernsehen. Stellen Sie kurz heraus, worin Ihrer Meinung nach der nicht auszuhaltende Schund besteht und feuern unsere Bücher gut sichtbar, mit dem Cover nach oben, in die Tonne. Bitte nehmen Sie auch einmal „Ministermord“ für die Rubrik Tonne zur Hand. Es täte den Verkaufszahlen wirklich gut. Alle anderen Leserinnen und Leser bitte ich im Namen aller Autoren, insbesondere den noch nicht so bekannten und jenen, die zur Kaste der Unreinen gehören, weil in Kleinverlagen veröffentlicht: Empfehlen Sie uns weiter! Aber machen Sie aus unseren Büchern keinen Lesezirkel im 12-Parteien-Hochhaus. Investieren Sie bitte 10-12 Euro für ein eigenes Taschenbuch eines (vorübergehend) unbekannten Debütautors, welches Ihnen von Ihrer Nachbarin oder Ihrem Nachbarn rübergereicht wird. Nur so werden wir sichtbar im Heer der vom Buchkartell geschaffenen Bestsellerautoren. Suchen Sie unsere Namen im Internet oder geben Sie sie direkt bei Facebook und Twitter in die Suchleiste ein. Sie werden uns finden, todsicher. Folgen und Liken Sie uns und treffen Sie uns eines Tages auf einer Lesung in Ihrer Nähe. Bringen Sie Ihre Bücher von uns mit, wir werden sie gerne signieren. Sagen Sie uns Ihre aufrichtige Meinung von Angesicht zu Angesicht; Gutes laut, Schlechtes leise. Und trinken Sie mit uns danach ein lecker Pilsken oder ein Softgetränk Ihrer Wahl. Vielen Dank, dass Sie bis hier hin gelesen haben! Tauchen Sie jetzt gerne wieder in die Welt ab, die eine Kollegin oder ein Kollege von mir für Sie geschaffen hat.


Liebe Andreas, das waren tolle Antworten auf meine Fragen und ich möchte mich vielmals dafür bedanken.






hier möchte ich nun auf das Buch

Ministermord

hinweisen, das ich gelesen und rezensiert habe.

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